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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Borsdorf zu treffen, da halfen keine Deuteleien und keine Erklärungen. Nur war es als Mann beschämend, ohne Rechtfertigungsgründe eine Schuld eingestehen zu müssen.
    Aber Sophie war klüger, als man es ihrer Jugend zugetraut hätte: Sie schwieg. Insgeheim hatte sie ihre Freude daran, zu beobachten, wie Leo im Haus um sie und das Kind herumschlich, immer auf der Hut, plötzlich mit Fragen konfrontiert zu werden. Das war für ihn zermürbender als eine offene Wortschlacht, die er mit Lautstärke wahrscheinlich für sich entschieden hätte. So aber geschah gar nichts, das kleine Frauchen war lieb wie immer, tagsüber wenigstens … abends aber im Bett klagte sie über Migräne und Magenschmerzen und rollte sich in ihr Federbett ein. Kochlowsky lag dann lange wach, starrte zur Zimmerdecke, über die das fahle Licht-Spiel der Winternacht glitt, und fragte sich unsicher, ob Plumps nicht einem Gerücht aufgesessen war und ob Sophie überhaupt etwas wußte. Andererseits war es Langenbach zuzutrauen, daß er sofort zu Sophie gegangen war und ihr von Blandine berichtet hatte … ja ja, man würde es ja klären, wenn Langenbach aus Torgau zurückkehrte.
    Am Ende dieser Woche des Wartens fühlte sich Kochlowsky wohler. Auch die große Auseinandersetzung mit Langenbach verschob sich, er war von Torgau die Elbe hinunter nach Risa gefahren und wollte noch Meißen besuchen. Auch Dresden stand auf dem Programm. Die Ziegelei sollte nämlich so ausgebaut werden, daß sie auch Fertigwaren aus Ton lieferte, Blumentöpfe, Krüge, Ziertöpfe, glasierte Becher und Kannen, Teller und Schüsseln, und man hatte sogar einen neuen Namen gefunden: Lübschützer Tonwerke. Lübschütz hieß der Marktflecken, der ganz in der Nähe lag, ein sauberes Dorf, von Wäldern umgeben. Und die Ziegelei lag genau zwischen Wurzen und Lübschütz.
    Als sich der neue Name in Wurzen herumsprach, machte man sofort Leo Kochlowsky dafür verantwortlich, daß es nicht Wurzener, sonder Lübschützer Tonwerke heißen sollte. Ein Satz machte die Runde, der typisch nach Kochlowsky klang, auch wenn er ihn nicht gesagt hatte: »Ich will nicht, daß sich jemand verspricht und ›Furzener Tonwerke‹ sagt …« Auf jeden Fall glaubte man in der Stadt solchem Gerede und vergaß dabei, daß der Name vom Grafen Douglas persönlich ausgesucht worden war.
    Um in Lübschütz einige neue Transportpferde anzusehen, fuhr Kochlowsky an einem kälteklirrenden Dienstag im Februar 1890 von der Ziegelei ins Dorf hinüber. Er mußte dabei auch ein ziemlich unübersichtliches Wald- und Buschgebiet durchqueren, das größere Flächen Sand- und Steppenboden umschloß und das man deshalb die Wüste Mark Wenigmachern nannte. Es war ein Gebiet, um das sich im Volksmund einige wilde Märchen von Waldgeistern, Zauberern und Buschhexen rankten. In Wirklichkeit aber war es nichts weiter als ein verwilderter Landstrich, ein Paradies für Fasane, Karnickel, Hasen, Rebhühner und Füchse.
    Kochlowsky befand sich etwa in der Mitte dieses Gebiets und fror erbärmlich. Weil er auch den Dorfschulzen von Lübschütz besuchen wollte, hatte er seinen Zylinder aufgesetzt, den er mit einem dicken Schal umwunden hatte als Ohren- und Wangenschutz gegen den Frost. Nur der Zylinder verriet, daß dort auf dem Kutschbock ein Mensch hockte – alles andere war eine Kugel aus Pelz und Stoff. Das Pferd schnaufte und dampfte, in leichtem Trab zog es das Gefährt durch die schweigende, tief verschneite Einsamkeit der Wüste Mark Wenigmachern.
    Kochlowsky hatte nichts gehört und gesehen, aber plötzlich flog sein Zylinder davon. Es war, als sei er ihm vom Kopf gerissen worden; der unter dem Kinn verknotete Schal ruckte stark, dann fiel er, befreit von dem Zylinder, über Kochlowskys Schulter.
    Mit einem scharfen »Brrr!« hielt er das Pferd an, sprang vom Bock und rannte hinüber zu dem am Wegrand liegenden Zylinder. Als er sich bückte, um ihn aufzuheben, stutzte er einen Augenblick, wirklich nur eine Sekunde, dann warf er sich blitzschnell in den Schnee und duckte sich so flach wie möglich. Obwohl Kochlowsky nie gedient hatte, nie über einen Kasernenhof gekrochen war und im Gelände Deckung gesucht hatte was im Preußischen als ein Makel galt, denn wenn sich zwei Männer trafen, lautete eine der ersten Fragen: »Wo haben sie gedient?« Trotz dieser nicht-›genossenen Ausbildung zum Menschen‹ war seine Deckung in diesem Augenblick mustergültig und hätte auch einen preußischen Unteroffizier

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