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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gespräch beim Wein, um diese Lesung bat. Der Vorstand der ›Bürgergesellschaft‹ war begeistert von diesem Nachmittag mit Eugen, zumal der Dichter einige – allerdings sehr zahme – Verse von sich gab, dazu eine Ballade aus dem Riesengebirge, in der auch Rübezahl vorkam. Am Sonnabend nächster Woche sollte die Veranstaltung stattfinden.
    Die Einladungen gingen sofort hinaus, die Plakate wurden gedruckt, das Wurzener Kammerorchester begann mit den Proben, Frau Hille nervte ihre ganze Familie mit stundenlang repetierten Schubert-Liedern, vor allem mit der berühmten ›Forelle‹.
    Alle waren frohen Mutes, nur Leo nicht. Er nahm seinen Bruder drei Tage vor dem Abend zur Seite.
    »Ich wiederhole, du Fettkloß«, sagte Kochlowsky drohend, »wenn du anfängst, auf der Bühne säuische Verse zu rezitieren, hole ich dich eigenhändig herunter und walke dich vor allen Leuten durch. Ist das klar?«
    »Du sagst es, wie immer, deutlich genug, Leo!«
    »Die Wurzener haben noch von euren ›Lebenden Bildern‹ genug.«
    »Alle waren im Trikot! Die heuchlerische Phantasie der Wurzener ist nicht unsere Schuld.«
    »Es war ja auch nur eine Warnung, Eugen!« Kochlowsky sah seinen Bruder scharf an. »Ich kann mir zur Zeit keinen Skandal leisten, Bruder! Gerade jetzt nicht.«
    »Hast du wieder alle rundum bis in alle Ewigkeit beleidigt?«
    »Es ist zum Bruch mit Leopold Langenbach gekommen.«
    »Na, prost!«
    »Er schwänzelt um Sophie herum«, schrie Kochlowsky.
    »Sie ist ja auch ein Goldstück!«
    »Er macht mir Vorwürfe, daß sie wieder ein Kind bekommt. Mir macht er Vorwürfe. Soll ich ihn jedesmal fragen: Darf ich heute mit meiner Frau ins Bett? Muß ich bei ehelicher Gemeinschaft um seine Erlaubnis bitten? Soll er daneben liegen und rufen: ›Halt! Jetzt ist es genug‹?«
    »Pfui, Leo!« Eugen faltete die Hände über den vorquellenden fetten Bauch. »Deine ewigen Streitereien werden mich nicht davon abhalten, meine künstlerische Persönlichkeit zu entwickeln. Ich habe jetzt einen Namen zu verteidigen! Endlich hat der Name Kochlowsky einen Wohlklang, allerdings nur in Verbindung mit Eugen! Das sollte dich stolz machen!«
    »Ich warne dich«, sagte Kochlowsky dumpf. »Eugen, ich wiederhole es. Es könnte schrecklich werden!«
    Am Samstagabend um zwanzig Uhr war der Saal im Hotel ›Stadt Leipzig‹, der Kultstätte der ›Bürgergesellschaft‹, nicht nur ausverkauft – man mußte sogar an den Wänden entlang zusätzlich Stühle aufstellen. Es war, als wolle halb Wurzen den literarischen Abend eines Kochlowsky miterleben, um später, über Generationen hinweg, von diesem Ereignis berichten zu können.
    Der Vorstand der Gesellschaft stand an der Tür und begrüßte jeden per Handschlag. Ein Raunen ging durchs Volk, als Leo Kochlowsky und Sophie erschienen und geradezu herzlich empfangen wurden. Fleckmann und Schimsky küßten Sophie die Hand, und Kochlowsky revanchierte sich, indem er den Damen Fleckmann und Schimsky feurig zublinzelte, was rote Flecken auf das Gesicht der Damen zauberte. Trotz seines miserablen Rufes war Leo ein Mann, der sofort geheime Sehnsüchte in Frauen hinterließ.
    Man führte Leo und Sophie in die erste Reihe, auf einen Ehrenplatz, und ein Schulmädchen in einem weißen Spitzenkleidchen überreichte Sophie mit einem tiefen Knicks einen Blumenstrauß. Es wurde alles getan, um Kochlowsky milde und friedlich zu stimmen.
    Hinter der Bühne hockte Eugen vor seinen Manuskripten und memorierte seinen Vortrag. Das Wurzener Kammerorchester saß schon auf der Bühne und stimmte leise die Instrumente. In einem winzigen Hinterzimmer – Künstlerzimmer genannt – sang sich Frau Hille ein. Tirilili … tralalala … Ihr uralter Gesangslehrer, ehemals Musikprofessor am Gymnasium von Wurzen, nickte zustimmend.
    Am Vorhang stand der Regisseur des Abends, der Bankkassierer Flügge, und starrte durch das Guckloch des Vorhangs ins Publikum und vor allem auf Leo Kochlowsky.
    »Sie sitzen da wie die Heringe im Faß«, meldete er nach hinten. »Da kann keine Stecknadel mehr runterfallen. So etwas hat es noch nie gegeben. Das bringt Geld in die Vereinskasse! – Wie weit ist Herr Kochlowsky?«
    »Er wartet.«
    »Das Orchester?«
    »Bereit.«
    »Frau Hille?«
    »Bereit. Singt sich ein …«
    »In zehn Minuten Vorhang hoch!« Sigmar Flügge spürte das Lampenfieber und sehnte sich nach einem kühlen Bier. Hinter ihm stand das Lesepult, an dem Kochlowsky vortragen sollte, über und über mit Blumen geschmückt.
    Kurz

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