Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Gesellschaft wird ein Riß gehen.«
»Gott sei Dank gibt es unterschiedliche Temperamente.«
»Wobei die Heuchelei überwiegt! Denken Sie nur an die rote Blandine …«
Brauereibesitzer Fleckmann erbleichte, ließ das Thema fallen und berief am Abend eine Sondersitzung der betroffenen Herren ein.
»Er hat das Tagebuch«, sagte er mit vor Erregung zitternder Stimme. »Er hat's!«
»Er hat es zugegeben?« rief der Kartonagenfabrikant.
»Nicht direkt! Aber mit einer unmißverständlichen Andeutung! Dabei hat er mich angesehen, als wollte er sagen: Na, mein Freund, erinnere dich … Es war eine bittere Situation. Wir sind diesem Scheusal ausgeliefert … damit müssen wir leben!«
»Wir können nicht bis an unser Lebensende auf einer Bombe leben!« rief der Lederfabrikant. Er sprach die Gedanken aller aus, aber es gab keinen, der einen Ausweg wußte. »Undenkbar, ständig erpreßbar zu sein!«
»Ich wüßte nicht, wie man Kochlowsky dazu bringen könnte, das Tagebuch zu vernichten.« Fleckmann trank mit zitternder Hand sein Bier. »Mit Geld schon gar nicht. Und moralisch ist er nicht ansprechbar. Er hat eine satanische Freude daran, die Buchhaltung unserer Ausrutscher mit sich herumzutragen.«
»Früher hätte man einen Kerl wie ihn einfach umgebracht.«
Plötzlich stand dieser Satz im Raum, und es herrschte Totenstille. Wer ihn ausgesprochen hatte, wußte keiner genau zu sagen.
Die wohllöblichen Herren sahen sich wortlos an. Es stand viel auf dem Spiel, zuviel, um irgendwie entsetzt zu sein. Nur den Gedanken zu Ende denken wollte keiner von ihnen. Selbst die Hand gegen Kochlowsky zu erheben – ausgeschlossen, aber gegen Geld gab es genug Hungrige, die die Vollstreckung übernehmen würden. Nur – wer tat es aus diesem Kreis? Und wie hoch war der Preis? Wenn man zusammenlegte, alle, dann war auch die Finanzierung keine Frage mehr.
Die Gedanken, die um die ehrenwerten Herren herumschwirrten, waren so ungeheuerlich, daß sie sich schnell verabschiedeten und nach Hause strebten zu ihren Familien. Dort, im trauten Kreis der treuen Ehefrau und der guterzogenen Kinder, atmeten sie auf, tranken einen schweren Portwein und beruhigten ihre Nerven. Dann blickte man um sich: das herrliche Haus, die geschnitzten Möbel, die Teppiche, die glücklichen Kinder, die sanfte, ahnungslose Frau – sollte das alles durch Kochlowsky vernichtet werden?
Früher hätte man ihn einfach umgebracht …
Was heißt früher? Ein guter Deutscher ist ein Mann mit Tradition! Er lebt nach Vorbildern. Hat nicht auch Michael Kohlhaas seinen Peiniger umgebracht?
Na also …
Man mußte nur in der Geschichte suchen, um rehabilitiert zu werden.
XVII
Kochlowskys großer Wunsch sollte sich nun endlich erfüllen: Er würde ein eigenes, schönes Reitpferd bekommen!
Nach langem, beharrlichem Weigern nahm Leo das Angebot seiner Frau an, die Geldgeschenke der Fürsten von Pleß und Schaumburg-Lippe zu Wandas Geburtstag und zu Weihnachten zum Kauf eines Pferdes zu verwenden.
»Du bekommst es wieder!« erklärte Leo feierlich und hob dabei die Hand zum Schwur. »Der Graf hat Langenbach und mir versprochen, uns am Umsatz zu beteiligen, wenn die Lübschützer Tonwerke sich weiter so gut entwickeln. Auf Heller und Pfennig bekommst du alles zurück. Schließlich ist das Geld für unsere Kinder. Ich leihe es nur. Ach Schatzel, du bist vom Himmel auf die Erde gesprungen. Nur so ist es möglich, daß es dich gibt!«
Wenn es um Pferde ging, gab es keinen besseren Experten als Baron von Üxdorf, den Oberstallmeister des Grafen Douglas. Kochlowsky mußte das zugeben, wenn auch mit Widerwillen, aber hier in Sachsen kannte er keinen Züchter, der edle Pferde verkaufte. In Schlesien – ach je, da wußte er genau, wo eine Stute fohlte und wer der Vater war. Er kannte sämtliche Deckhengste der berühmten Gestüte, worunter das Pleßsche Gestüt an der Spitze stand, und wenn er einen Preis hörte, konnte er dröhnend auflachen, sich an die Stirn tippen und brüllen: »Für diesen Puddingkörper diese Summe? Steck den Kopf in einen Eimer kaltes Wasser! Der Vater ist Justus von Ahrfeld, der hat diesen Krüppel gezeugt, kurz bevor er impotent wurde! Die Hälfte vom Preis, das ist noch fürstlich bezahlt!«
Aber hier in Sachsen? Hier gab es nur den Rat des Barons von Üxdorf. Dann konnte man ja sehen …
Üxdorf mußte schmunzeln, als Leo Kochlowsky bei ihm in den Stallungen des Grafen Douglas erschien und um Hilfe bat. Das war etwas ganz Neues: Kochlowsky
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