Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
von einem Landauer des Gutes Luisenhof erwartet wurden. Die angespannten Pferde sahen hervorragend aus, gepflegt, mit glänzendem Fell, sauberen Hufen, geflochtenen Mähnen und reiner Schwanzrübe. Kochlowsky hob zu dieser Feststellung ungeniert den Schwanz des ersten Pferdes hoch.
»Zufrieden?« fragte Üxdorf ironisch.
»Sehr.« Kochlowsky schlug zurück. »Der Graf sieht so was selten bei seinen Pferden.«
Baron von Üxdorf erstarrte. Früher hätte das zu einem Duell auf Pistolen gereicht, aber die gute alte Zeit war vorbei. Nach 1871 überrollte ein moderner Geist das Deutsche Reich. Das Proletariat drängte nach vorne, der Plebs. Üxdorf klemmte sein Monokel fester ins Auge und wandte sich wortlos ab.
Gut Luisenhof war so, wie Kochlowsky es sich immer gewünscht hatte, wie er es von Pleß her kannte und was er jetzt so sehr vermißte. Weiße Gatter und Abreitezäune, blitzsaubere Stallungen, die Stallburschen in einer Art Livree, der Stallmeister im schwarzen Reitrock, die verschiedenen Wagen in einer großen Remise, geputzt, geölt und poliert, der Hengststall so glänzend wie ein Eßzimmer, nirgendwo etwas, was nach Reparatur verlangte … Es war eine Freude, so etwas zu sehen.
Üxdorf machte Kochlowsky mit dem Stallmeister, einem Herrn von Okritz, bekannt.
»Ich habe schon von Ihnen gehört«, sagte Okritz lebhaft. »Der Baron hat mir von Ihnen erzählt, und ein Herr Langenbach aus Ihrer Ziegelei war ebenfalls hier, um ein Angebot für den Neubau einer Reithalle abzugeben. Dabei kam er auch auf Sie zu sprechen.«
»Soso …« Kochlowsky, der eben noch bereit war, Okritz nett zu finden und ihn zu loben, versteifte sichtlich. Was Langenbach erzählt hatte, konnte nichts Gutes gewesen sein. »Halten wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten auf … Welche Pferde können Sie mir anbieten?«
»Das kommt ganz darauf an, wieviel Sie anlegen wollen, Herr Kochlowsky.«
»Ich brauche keinen Paradegaul, sondern ein gutes, starkes, ausdauerndes Reitpferd. Ein Pferd mit Charakter. Gibt es das noch?«
»Warum nicht?«
»Beim Menschen ist Charakter weitgehend ausgestorben.«
Okritz warf einen schnellen Blick zu Üxdorf. Er ist wirklich so, sollte das Augenzwinkern heißen. Ein grantiger Felsklotz. Gehen wir nicht auf diese Reden ein … Bleiben wir bei den Pferden.
»Im Verkaufsstall habe ich neun Pferde stehen«, sagte Okritz. »Wenn ich vorausgehen darf?«
»Bitte.«
Der Verkaufsstall war blitzsauber wie alles auf Gut Luisenhof: eine Art kleine Halle mit einem Vorführplatz, dessen Untergrund mit Sand und Häckseln aufgefüllt war. Hinter einer Barriere standen ein paar Stühle. Von hier konnte man die Pferde in Ruhe ansehen und beurteilen. Die Stallburschen führten sie herein, liefen mit ihnen über den Platz, so daß man jedes Muskelspiel sehen konnte, und ließen dann die Pferde frei laufen. Dann tobten und galoppierten die prächtigen Tiere durch den Sand und zeigten ihre ganze Schönheit und Kraft.
Leo Kochlowsky saß mit finsterer Miene hinter der Holzwand und verfolgte jedes einzelne Pferd mit zusammengekniffenen Augen. Es waren sehr gute Pferde, aber eben nur sehr gute. Im Gestüt des Fürsten Pleß wären sie nur zweite Wahl gewesen. Außerdem ärgerte ihn das Benehmen des Barons von Üxdorf maßlos. Der saß nämlich neben ihm, klatschte ab und zu in die Hände und rief begeistert: »Wie schön! Ist das ein Pferd! Einfach wunderbar!« Dazwischen fragte er immer wieder: »Noch immer nichts dabei für Sie, Herr Kochlowsky?«
Nach der Vorführung des neunten Pferdes trat Okritz an die Bande. Er sah Kochlowsky mit finsterer Miene dasitzen. »Haben Sie sich entschieden?« fragte er.
»Ja«, antwortete Kochlowsky knapp.
»Lisa?«
»Nein.«
»Ewald?«
»Weder – noch.«
»Wen dann?«
»Keinen!«
Neben Kochlowsky seufzte Üxdorf qualvoll auf. »Ich habe noch nie so prächtige Pferde gesehen«, sagte er.
»Das mag sein. Sie nicht!«
»Und alle bestens zugeritten«, warf Okritz ein.
»Das wäre noch zu prüfen.« Kochlowsky erhob sich. »Wo kann ich mich hier umziehen?«
»Wieso umziehen?« fragte Üxdorf verwirrt.
»Glaubten Sie etwa, ich habe im Koffer nur Reiseproviant? Ein Pferd, das ich kaufe, will ich vorher reiten. Wo kann ich mich umkleiden?«
»Im Büro.« Okritz winkte einen der Stallburschen herbei. Der führte Kochlowsky in das hinter der Halle liegende Büro.
Okritz wartete, bis Kochlowsky außer Hörweite war.
»Was soll man dazu sagen?« fragte er ziemlich betroffen.
»Ich
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