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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geworden!«
    »Du vergißt: Sie ist eigentlich selbst noch ein Kind. Gerade neunzehn geworden! In dieser Jugendblüte hält sie ein Leben mit dir aus …«
    »Die Ohrfeige ist gleich fällig!« Kochlowsky trat ans Fenster und blickte hinaus in den blühenden Garten. Die großen, hohen Sonnenblumen leuchteten in der Sonne – Erinnerung an Polen und Pleß. Manchmal war es schwer, einen endgültigen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen. »Ich habe mich an Wurzen gewöhnt, die Lübschützer Tonwerke werden bald führend im ganzen Gebiet sein. Mit dem Grafen verstehe ich mich vorzüglich, hier könnte ich alt werden.«
    »Ein Leben ohne Freunde.«
    »Ich habe niemals Freunde gehabt, Eugen.« Kochlowsky zog den Kopf in die Schultern. »Alles waren nur Speichellecker, falsche Luder, mißgünstige Hohlköpfe, Hornochsen!«
    »So schief siehst nur du deine Welt!«
    »Ein ehrlicher Mensch ist heute ein geächteter Mensch, damit muß man leben. Die Wahrheit verträgt ja niemand. ›Ah, Frau Kommerzienrat! Wie Sie heute wieder aussehen! Nein, dieses wundervolle Kleid! Sicherlich aus Paris?‹ Und Frau Kommerzienrat bläht sich auf wie ein Truthahn. Dabei sollte man sagen: ›O Gott, in dem Kleid sehen Sie aus wie Ihre Großmutter! Schlagen Sie Ihrer Schneiderin die Fetzen um die Ohren! Und wie aufgedonnert Sie geschminkt sind! Schmieren Sie jeden Morgen Ihre Falten zu?‹ – Das wäre ehrlich.«
    »Aber völlig unmöglich, Leo!«
    »Warum?«
    »Der Mensch ist eitel, geldsüchtig, neidisch und skrupellos. Und weil er das weiß, will er das nie hören, sondern das Gegenteil.« Eugen hob die Nase, schnupperte zur Küche hin und seufzte in Erwartung des duftenden Bratens. »Leo, mach Kompromisse im Verhalten zu deinen Mitmenschen.«
    »Das kann ich nicht.« Kochlowsky wandte sich vom Anblick seines schönen Gartens ab. »Ich sage jedem ins Gesicht, was ich von ihm denke.«
    »Bis sie dich eines Tages erschlagen! Oder sonstwie vernichten … Es gibt da viele Methoden. Am beliebtesten ist der Rufmord.«
    »Mich haut niemand um!«
    »Aber Sophie! Mein Gott, Leo, denk doch mal an deine Frau! Du stehst wie ein Fels in der Brandung, aber Sophie wird weggespült … Und deine Kinder! Wenn sie größer sind, werden die anderen Eltern ihren Kindern verbieten, mit der Kochlowsky-Brut zu spielen. Sie werden die einsamsten und bedauernswertesten Kinder sein. Ist das vielleicht ein Leben?«
    Es war vorauszusehen: Das Gespräch endete damit, daß Leo knurrte und Eugen einen Freudenseufzer ausstieß, als Sophie das Essen auftrug. Einen Mann wie Kochlowsky konnte man nicht mehr umdrehen …
    Am nächsten Morgen war für Eugen der Tag der Abreise gekommen. Im offenen Landauer, mit einem Kutscher der Ziegelei auf dem Bock, der sich offensichtlich über diesen ihm befohlenen Auftrag schämte, brachte Kochlowsky seinen Bruder zum Bahnhof. Sie mußten quer durch die Stadt fahren, und alle Wurzener sahen es. Eugens fettes Gesicht war rot vor Aufregung, aber er bewunderte auch Leos Mut, diese Fahrt zu unternehmen. Ais ein Spaziergänger auf dem Trottoir rief: »Kochlowsky, raus!«, ließ Leo anhalten und blickte auf seine Taschenuhr.
    »Wir haben noch viel Zeit, bis der Zug abfährt«, sagte er gefährlich ruhig. »Kutscher, abbiegen und zurück – wir machen die Fahrt durch die Stadt noch einmal!«
    »Ohne mich, Herr Kochlowsky«, sagte der heiser. »Meine Nerven halten das nicht aus. Ich bin schon vierundsechzig. Bitte um Verzeihung …«
    »Wohin man blickt: Hosenpisser! Geben Sie die Peitsche her!« Kochlowsky griff nach dem mit Leder bezogenen Stab, riß ihn dem Kutscher aus der Hand und schwang sich selbst auf den Bock. »Steigen Sie ab!« schrie er. »Setzen Sie sich dort drüben ins Wirtshaus!« Er schnalzte mit der Zunge, ließ die Zügel locker und fuhr in forschem Tempo mit dem Landauer über Seitenstraßen zur Eingangschaussee von Wurzen zurück.
    Das Ganze noch einmal! dachte er grimmig. Und jetzt grüße ich jeden, den ich wiedererkenne. Spucken sollen Sie vor Wut. Spucken!
    Er bog in die Hauptstraße ein, straffte die Zügel und ließ den Landauer gemächlich über das bucklige Pflaster klappern. Eugen hatte sich, so gut es bei seiner Körpermasse möglich war, tiefer in das Polster gedrückt.
    »Muß das sein, Leo?« rief er kläglich.
    »Ja! Es muß!«
    Die Wurzener verstanden Kochlowskys Demonstration sofort. Diejenigen, die er grüßte, beantworteten den Gruß nicht, und wer gar sein Gesicht abwandte, den rief er beim Namen, mit

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