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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zwischen zwei Milchkannen. »In so einem Alter machen Sie noch so schwere Arbeit?«
    »Fünfundsiebzig bin ich.« Blohme schnalzte mit der Zunge, das Pferd zog wieder an. »Wenn ich nichts tue, gibt mir keiner 'ne Schnitte Brot. Die Frau ist seit zehn Jahren tot, der Sohn ist 1870 in Frankreich gefallen. Ich bin allein. Jearbeitet habe ich immer. Von allein fliegt einem nichts in den Mund. Und dat Pferd will ja auch wat fressen. Also arbeiten wir, bis einer von uns umfällt …«
    Kochlowsky sah Blohme von der Seite an, das wettergegerbte, faltige Gesicht, die schütteren weißen Haare, den dünnen Hals, die knochigen Arme und Hände, den Anzug, der um den Körper schlotterte. »Wir werden uns jetzt bestimmt öfters sehen, Fritze«, sagte er und griff nach den Zügeln. »Laß mich mal.«
    »Ja, kannste das denn, Junge?«
    Fritz Blohme legte die Hände in den Schoß und ließ sich fahren. Er sah sofort, daß Kochlowsky etwas davon verstand. Das machte ihn redselig, und auf der ganzen Fahrt zum Rittergut erzählte er aus seinem Leben. Es hatte nur aus Mühsal und Arbeit bestanden, aber er beklagte sich nicht darüber. Er hatte es zu einem Holzkotten, zu einem Pferd und einem Wagen gebracht, er hatte eine gute Frau gehabt und einen tapferen Sohn – was wollte man mehr? Auch die Reichen, auch die ganz Reichen konnten nicht mehr mitnehmen als er, wenn sie im Sarg lagen. Ja, vielleicht ein seidenes Hemd oder einen Gehrock, und der Sarg war nicht aus Tannenbrettern, sondern aus fester deutscher Eiche, aber wenn der Herr Pastor die Erde über sie warf, waren sie alle gleich. Das versöhnte.
    Ich werde mich um dich kümmern, Fritze, dachte Kochlowsky, während er den Milchkannenwagen durch die schöne Gegend lenkte. Wenn ich hier nach Herzogswalde ziehe, sollst du dir die Backen wieder rundfressen. Die im Gesicht und die am Hintern!
    Als sie in die Auffahrtsallee zum Rittergut einbogen, hatte Kochlowsky in Herzogswalde einen Freund.
    Einen Freund – wann hatte er jemals einen besessen?
    Zwei Tage später fuhr ein Jagdwagen des Barons einen zufriedenen Kochlowsky zurück zum Bahnhof. Er hatte die Stelle angenommen. Er konnte sich vorstellen, daß er sich hier wohl fühlen würde. Das Haus, in dem er wohnen würde, war geräumig, auf eine große Familie zugeschnitten. Es war mit einem großen Garten, einem Stall und einer Wagenremise ausgestattet. Im Halbkreis darum dehnte sich der Wald. Das einzige, was ihm nicht gefiel, war die Ziegelei.
    Zu Baron von Finck hatte er gesagt: »Ich muß Ihnen sagen, daß der Betrieb maschinell überaltert ist. In diesem Zustand ist er nicht konkurrenzfähig.«
    »Das habe ich geahnt! Darum habe ich Sie ja eingestellt.«
    »Ein Saustall ist es, Herr Baron.«
    »Misten Sie ihn aus, Kochlowsky! Ich vertraue Ihnen … trotz allem, was ich von Ihnen gehört habe. Ich freue mich auf Ihr Pferd.«
    »Sie werden nie im Sattel bleiben, Herr Baron.«
    »Abwarten, Kochlowsky!«
    »Wenn Ihnen das gelingt, bringe ich Reckhardt zum Abdecker!«
    »Kein so großes Maul, Kochlowsky!« Baron von Finck verzog das Gesicht zu einem Grinsen. »Ich bin anders als Douglas. An mir beißen Sie sich die Zähne aus. Das sollten Sie von Beginn an einkalkulieren. – Es bleibt also beim 1. November?«
    »Es bleibt dabei, Herr Baron.«
    Im Zug nach Dresden überdachte Kochlowsky noch einmal die Situation in Herzogswalde. In der Ziegelei hatte er völlig freie Hand, das war das wichtigste. Hier gab es keinen, der über ihm war, außer dem Baron.
    Das war ein Irrtum, aber das wußte Kochlowsky damals noch nicht.
    Er war in den zwei Tagen nicht dem Rentmeister begegnet, dem Willibald Hammerschlag, der von sich sagte: »Nomen est omen! Wo ein Hammerschlag, da keine Gegenwehr. Der Baron ist euer Herr, aber ich bin der Daumen in eurem Genick …«
    Alles deutete darauf hin, daß die ländliche Ruhe von Herzogswalde bald der Vergangenheit angehören würde.
    Das Feuer loderte an der Tür empor, eine zweite Flammensäule hatte die Seitenwand erfaßt und kletterte zum Dach hinauf. In seiner Box wieherte Reckhardt verzweifelt und trat gegen die hölzernen Begrenzungen, stieg hoch und versuchte, mit der Kraft seines Körpers und seines Gewichts die Boxentür aufzusprengen.
    Jacky rannte heulend und winselnd vor dem Stall hin und her, immer wieder vor den Flammen zurückweichend und sich doch immer wieder mutig nach vorne stürzend, als könne er seinen Freund Reckhardt befreien.
    Nur einen Augenblick war Sophie wie zu Stein erstarrt.

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