Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Dann rannte sie zur Gartenpumpe, wo immer zwei große Eimer für das Begießen der Blumen und Pflanzen standen, pumpte sie voll Wasser, schleppte sie zum Stall und schleuderte das Wasser auf die Flammen. Es zischte, Dampf quoll auf – aber was vermochten ein paar armselige Liter Wasser gegen das lodernde Flammenmeer?
Zehnmal, die letzten Male laut weinend, rannte Sophie mit den Eimern von der Pumpe zum Stall, aber das einzige, was sie damit erreichte, war ein beißender Qualm, der aus dem benäßten Holz hervorquoll und ihr den Atem nahm.
Plötzlich fühlte sie sich von starken Armen zurückgerissen. Sophie taumelte gegen einen Baum, klammerte sich am Stamm fest und sah mit schreckgeweiteten Augen, wie ein Mann sich in das Feuer stürzte, die Stalltür aufriß und hinter dem Flammenvorhang verschwand. Sekunden später raste Reckhardt ins Freie, galoppierte durch den Garten und blieb erst an der hinteren Haustür stehen.
Der Mann tauchte wieder im Feuervorhang auf, durchbrach ihn, stürzte zu den Eimern und goß sie sich über den Kopf. Dann lehnte er sich gegen die Pumpe, wischte sich über das nasse Gesicht und sah an sich hinab. Seine Kleidung hatte schon Feuer gefangen, aber nun war es gelöscht. Sein blondes Haar war angesengt, sonst aber war er unverletzt. Ein Teil des Daches fiel jetzt prasselnd in den Stall, Funkenberge stoben auf … das wäre das Ende von Reckhardt gewesen.
Der Mann drehte sich zu Sophie um. Erst jetzt erkannte sie ihn … Mit einem Aufschrei lief sie auf ihn zu und klammerte sich schluchzend an ihn. Auch Jacky kam winselnd näher und legte sich zu ihren Füßen.
»Sie?!« stammelte Sophie. »Ich danke Ihnen. Ich danke Ihnen. Wo kommen Sie denn her? Das war im letzten Augenblick …«
Willy Cranz legte wie schützend den Arm um Sophie und blickte hinüber zu dem nun voll in Flammen stehenden Stall. »Ich komme gerade aus Lübschütz zurück … aus der Wirtschaft.« Cranz lächelte schwach. »Wir haben da einen Stammtisch gegründet. Wir nennen uns die ›Kochlowsky-Geschädigten‹.« Er grinste verlegen. »Und auf dem Rückweg sehe ich: Bei Kochlowsky brennt es!«
»Und Sie haben es nicht brennen lassen …«
»Trauen Sie mir eine solche Schufterei zu?« Er gab Sophie aus der Umarmung frei und nickte hinüber zu dem Pferd. »Sehen wir uns an, ob er was abbekommen hat. Ich nehme ihn dann mit – ich habe im Forsthaus alles für die erste Behandlung.«
Er ging hinüber zu dem zitternden Reckhardt. Das Pferd ließ sich geduldig untersuchen und abtasten, hatte den Kopf zur Erde gesenkt und ließ sich von Jacky die Nüstern lecken.
»Auf den ersten Blick scheint er unverletzt«, sagte Cranz aufatmend. »Trotzdem nehme ich ihn mit. Er kann ja nicht hier im Freien bleiben. Und morgen, bei Tag, sehe ich ihn mir noch einmal gründlich an.« Er sah hinüber zum Haus, »ihr Mann ist nicht da?«
»Er ist nach Dresden und von dort weiter nach Herzogswalde … Er will übermorgen wiederkommen.«
»Seine neue Stelle?«
»Vielleicht …« Sophie sah ihn mit weiten Augen an. »Er hat Sie so schrecklich mißhandelt, und ich habe mich noch gar nicht bei Ihnen entschuldigen können …«
»Das ist vorbei.« Cranz winkte ab. »Nur eines möchte ich in diesem Zusammenhang klarstellen: Ich hätte Ihren Mann nie aus Wurzen vertrieben. Ich habe das nie verlangt. Aber – es war das Beste, was er tun konnte, von hier wegzugehen.« Er zeigte auf den zusammenstürzenden, sich in Feuer auflösenden Stall. »Das ist der beste Beweis. So ein Feuer kommt nicht von allein … nicht von außen!«
Man frage nicht, wie Kochlowsky reagierte, als er mit einer Droschke vom Bahnhof Wurzen nach Hause kam. Schon von weitem bemerkte er den Brandgeruch, das noch immer schwelende Holz, und dann sah er den verkohlten Trümmerhaufen, stieß einen geradezu urweltlichen Laut aus, sprang aus der Droschke und rannte in den Garten. Aus der hinteren Tür stürzte Sophie heraus und rannte ihm nach.
»Leo!« rief sie, »Leo! Es ist ja alles gut! Reckhardt lebt … ihm ist nichts passiert. Er lebt …«
Als sie ihn erreichte und er sich zu ihr umdrehte, sah sie, daß er weinte. Sein verzerrtes Gesicht wies Kanäle auf, durch die die Tränen flossen.
»Sophie …« , stammelte er und legte seinen Kopf an ihre schmale Schulter. »Wo ist er? Wie konnte das geschehen? O Sopherl …«
»Ich weiß es nicht.« Sie holte tief Atem. »Reckhardt ist bei Förster Cranz …«
»Wo?« Ein heftiges Zucken ging durch Kochlowskys
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