Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Möbel sind verpackt, die Waggons bei der Eisenbahn bestellt, der Vertrag in Herzogswalde unterschrieben …«
»Ich schicke sofort eine Depesche zu Baron von Finck. Der Vertrag wird annulliert!«
»Sie selbst haben mich an ihn vermittelt …«
»Reden wir doch nicht mehr davon! Wer soll denn die Tonwerke weiterführen?«
»Sie haben doch einen Ersatz, Herr Graf.«
»Nichts habe ich! Ich habe immer damit gerechnet, daß Sie Dickschädel doch noch einmal zu mir kommen und wir miteinander reden.«
»Ich kann nicht mehr in Wurzen bleiben.« Kochlowsky schüttelte den Kopf. »Erst wird auf mich geschossen, dann brennt man meinen Stall nieder, das nächste würde sein, daß man meiner Frau oder meinem Kind ein Leid antut! Soll ich darauf warten? Hier ist für mich keine Heimat mehr!«
»In Herzogswalde wird es nicht anders sein!«
»Doch. Da fange ich von vorne an. Ich werde mich ändern.«
»Ein Kochlowsky und sich ändern! Eher fließt die Elbe rückwärts!« Graf Douglas trank sein Glas mit einem langen Zug leer. »Sie begehen eine nie wiedergutzumachende Dummheit, Kochlowsky! Finck ist an Ihnen überhaupt nicht interessiert. Seine veraltete Ziegelei schleppt er so durch, weil sie zum Erbe gehört hat. Was ihn allein juckt, das ist Ihr Pferd! Diese Herausforderung hat er angenommen. Finck ist ein Pferdenarr! Von der Stunde an, wo er bei Ihrem Pferd im Sattel bleibt, haben Sie verloren. Dann können Sie gehen …«
Kochlowsky hob die Schultern. »Wenn dem so ist«, sagte er und lächelte schwach, »habe ich bei Baron von Finck eine Lebensstellung. Er wird Reckhardt nie reiten können. Nie! Ich gehe mit größter Gelassenheit nach Herzogswalde …«
Eine Stunde blieb Kochlowsky beim Grafen. Sie tranken die halbe Flasche leer und schieden wie alte Freunde.
»Viel Glück, Kochlowsky«, sagte Douglas und brachte ihn bis zur Tür. »Lernen Sie aus der Vergangenheit. Aus Pleß mußten Sie flüchten wegen der Weiber. Aus Wurzen flüchten Sie wegen Ihrer Grobheit. Was wird einmal der Grund in Herzogswalde sein?«
»Dort wird man mich mit den Füßen zuerst aus dem Haus tragen, Herr Graf. Vorher nicht!«
»Dies in Gottes Ohr! – Wann kommt das zweite Kind?«
»Im Februar, Herr Graf.«
»Grüßen Sie Ihre kleine Frau von mir. Ihre Tapferkeit ist außergewöhnlich. Sie hat die Hauptlast zu tragen, nicht Sie, wissen Sie das?«
»Es wird sich vieles ändern, Herr Graf.« Kochlowsky schlug noch einmal die Hacken zusammen, verbeugte sich und verließ die Bibliothek.
In der Halle traf er auf den Haushofmeister und Kammerdiener Luther.
»Das einzige, was ich vermissen werde, sind eure Visagen«, sagte er. »Ihr Anblick hat mir immer geholfen, wenn ich mal so richtig aufstoßen wollte. Schade, jetzt muß ich Emser Salz nehmen …«
Er verließ das Schloß Amalienburg in dem Gefühl, einen guten Abgang gehabt zu haben.
Am folgenden Tag erlebte Wurzen noch einmal ein besonderes Kochlowsky-Gefühl.
Er ritt durch die Stadt, ganz langsam, hielt hier und da an, wo die Kochlowskys eingekauft hatten, verabschiedete sich von den Kaufleuten, natürlich auch von Zigarrenhändler Felix Berntitz und Krämer Martin Lobsam, trank noch einmal im Hotel ›Stadt Leipzig‹ zwei Bier, aß auch ein Kotelett, von dem er, wie immer, behauptete, es müsse eigentlich an den Schuster als Dauersohle weitergegeben werden, und ritt dann zum Bahnhof, wo seit Jahr und Tag die Kutschen warteten. Dieselben, die damals, als er nach Wurzen kam, von ihm so beleidigt worden waren.
»Kommt mal her!« sagte er und schnallte hinter Reckhardts Sattel einen Leinensack los. Er machte ihn auf und holte vier Flaschen Kümmel heraus. »Ich war mal ungerecht zu euch … nun trinkt auf mein Wohl!«
»Aber, Herr Kochlowsky, das ist doch bald zwei Jahre her!« Der Kutscher, dessen Pferd Kochlowsky ein furzendes Gerippe genannt hatte, drückte die Kümmelflasche an seine Brust. »Das ist doch längst vergessen …«
»Der Mensch vergißt nur das Gute! Spült euren Ärger über Kochlowsky runter … ihr seid mich endlich los!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg er auf sein Pferd und trabte davon.
Noch einmal ritt er langsam durch die Felder und Wälder, die jetzt in den herrlichsten Herbstfarben leuchteten, aber er hatte kein schweres Herz, dies alles nun zu verlassen. Der Abschied von Pleß war unendlich schwerer gewesen. Da blieb sein halbes Leben zurück, und er hatte sich vorgenommen, den zweiten Teil ganz und gar nur seiner Sophie, seinem Schatzel, zu
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