Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Kochlowsky sarkastisch. »Nur wurde Luther danach verbannt … Das liegt mir gar nicht!«
Sophie begleitete den Pfarrer hinaus zu seinem Wägelchen und kam dann eilig zurück. »Willst du ihm tatsächlich helfen, Leo?« fragte sie.
»Ich weiß noch nicht.« Kochlowsky steckte sich seine Sonntagszigarre an. »Ich muß erst mal verdauen, daß man mich um Hilfe ruft, um dann festzustellen, wer der größte Satan ist, Hammerschlag oder ich!«
»Bist du denn ein Satan, Leo?«
»Das ist ein dummes Wort. Auf jeden Fall fühle ich mich so wohler, als wenn ich ein Engel sein müßte …«
Im Leben sind Umwege manchmal nützlicher als die gerade Strecke. Sich anschleichen ist oft lebenserhaltender als der direkte Angriff. Kochlowsky fuhr also zunächst zu Oberförster Ludwig Ursprung.
Im Grunde ähneln sich alle Förstereien: sie strahlen die majestätische Ruhe der Natur aus. Ob das Anwesen nun groß oder klein ist – man spürt eine gewisse Abgeklärtheit gegenüber der lauten Welt. Hier, bei Ursprung, war es anders: Zur Naturnähe kam noch eine deutliche Armut hinzu. Das Haus und die Wirtschaftsgebäude schrien förmlich nach einem neuen Anstrich, die Geräte waren veraltet, die Fuhrwerke in einem jämmerlichen Zustand; nur die Pferde waren gepflegt, was Kochlowsky versöhnte.
Förster Ursprung, ein grauhaariger Fünfziger, kam an die Tür, in einer dicken Lodenjacke und eine Langpfeife zwischen den Zähnen, als Kochlowsky in den Innenhof der Försterei ritt. Sie kannten sich noch nicht, aber Ursprung winkte ihm wie einem alten Freund zu.
»Willkommen bei mir, Herr Kochlowsky!« rief er. »Sie müssen Kochlowsky sein, nicht wahr? So ein Pferd reiten nur Sie! Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
Sie schüttelten sich die Hände. Kochlowsky kam ins Haus und sah Ursprung erstaunt an. Plötzlich begriff er, warum der Förster im Haus eine dicke Lodenjacke trug.
»Sie haben's hier aber nicht warm! Ofen kaputt?«
»Nein! Hammerschlag!« Förster Ursprung grinste schief.
»Plötzlich taucht er auf, hält ein Thermometer hoch, und wenn es über achtzehn Grad ist, gibt's ein Höllendonnerwetter …«
»Das ist doch nicht wahr!« sagte Kochlowsky gedehnt.
»Warum sollte ich lügen? Was Sie von Hammerschlag kennen, ist nur der Zipfel seines Rocks. Sie werden sich noch wundern …«
»Oder er!« Kochlowsky blickte finster um sich. Alles war ärmlich in diesem Haus, nur mit dem Nötigsten versehen. Es war die ärmste Försterei, die Kochlowsky bisher gesehen hatte. »Eigentlich bin ich gekommen, um zu fragen, wie das mit dem Holz für die Kirche ist … Aber nachdem ich das hier sehe …«
»Das Kirchenholz?« Ursprung winkte traurig ab. »Ich schäme mich so, aber wem nützt das? Hammerschlag hat befohlen … Basta! Er will den Pfarrer zu einer Eissäule gefrieren lassen, weil dieser mal von der Kanzel gegen die wilde Ehe gewettert hat.«
»Was hat Hammerschlag damit zu tun?«
»Aber das weiß doch jeder. Er lebt mit der Ersten Hausdame der Baronin zusammen, der Freifrau von Staltenhalten. Natürlich heimlich – aber jeder weiß es! Und weil der Herr Pastor bei der Predigt gegen die wilde Ehe den Hammerschlag angesehen hat, muß er jetzt frieren. Das ist der Hintergrund.«
»Wir werden am Mittwoch der Kirche das Holz anliefern«, sagte Kochlowsky laut. »Ursprung, wie lange brauchen Sie zum Beladen?«
»Mit drei Mann einen halben Tag.«
»Gut, ich komme und helfe Ihnen.«
»Das ist doch ein Witz, Herr Kochlowsky!«
»Wenn Sie mich besser kännten, wäre Ihnen klar, daß meine Witze anders aussehen.«
»Hammerschlag wird platzen …«
»Da möchte ich dabeisein!«
»Es wird mich meine Stellung kosten.«
»Nichts werden Sie verlieren, Ursprung, solange ich in Herzogswalde bin! Das ist ein Versprechen, und das halte ich!«
»Auch gegen Hammerschlag?«
»Gerade gegen Hammerschlag!«
»Das wird ein Duell der Giganten werden!« sagte Ursprung fast atemlos. »Unterschätzen Sie Hammerschlag nicht!«
»Es ist sein größter Fehler, mich zu unterschätzen. Und Sie sind eine Memme, Ursprung! Sie ducken sich wie ein getretener Hund!«
»Ich möchte nicht auf der Straße sitzen und hungern.« Ursprung setzte sich in die Nähe des nur halb geheizten Kachelofens. »Ich bin über Fünfzig … wer nimmt mich noch, wenn ich hier rausfliege?« Er sah Kochlowsky fast flehend an. »Sie wollen am Mittwoch wirklich diese Aktion starten?«
»Was ich einmal gesagt habe, gilt – auch das sollten Sie sich merken! Ich bin am
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