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Kochwut

Titel: Kochwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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für hysterisch.«
    Georg war nicht versessen auf eine Diskussion mit Astrid zu später Stunde. Aber das fehlte ihm noch, sich ausgerechnet wegen Carola Vorhaltungen machen zu lassen.
    »Wie du meinst«, beschied Astrid ihn nur knapp. »Ich bin müde. Ich muss jetzt ins Bett.«
    Sie ging zur Tür, dann drehte sie sich noch einmal um.
    »Musstest du dir so spät unbedingt noch Nudeln machen? Du bist entsetzlich undiszipliniert, Georg! Du hast diesen Winter schon wieder ganz schön zugelegt. Und so wirst du nie abnehmen. Gute Nacht.«
    »Ja, gute Nacht, schlaf gut«, murmelte Georg seiner Frau hinterher. Er war verstimmt. Astrid war immer so gnadenlos vernünftig, so absolut konsequent. Aber weil es stimmte, was sie sagte, traf es ihn umso mehr. Vielleicht müsste er doch ernsthaft versuchen, an seinen Essgewohnheiten etwas zu verändern. Aber sein Beruf, die Unregelmäßigkeit bei den Mahlzeiten und letztlich halt sein Gaumen …
    »Ach ja«, seufzte er und stieg die Treppe nach oben.

     
    Astrid lag längst in tiefem Schlaf und schnarchte hin und wieder leise, während Georg sich auf der Matratze hin und her schmiss und einfach nicht zur Ruhe kam. Bestimmt lag das auch an seinem vollen Magen, und er wurde sauer auf sich selbst. Warum hatte er sich nicht zusammengerissen und nur ein Glas Wein getrunken? Er hatte sich seiner Lust auf Essen wieder nicht erwehren können. Allerdings, stellte er einschränkend fest, die Betonung lag auf gutem Essen, denn es musste ganz bestimmte Kriterien erfüllen, um seinen Appetit zu wecken. Der Gedanke an einen bestimmten Geschmack ließ ihm oft schon den Mund wässrig werden, und wenn ihm ein köstlicher Duft um die Nase zog, war es um ihn und seine Disziplin geschehen.
    Er beschäftigte sich viel zu gern mit Lebensmitteln, liebte Märkte und Feinkostgeschäfte, die Farben der Auslagen, ihren Wohlgeruch. Sollte er auf all das verzichten? Er sah frisches Gemüse, einen appetitlichen Fisch, und schon komponierte er in seinem Kopf aus den Zutaten ein neues Gericht. Eigentlich war er dankbar für diese wunderbare Leidenschaft, die ihm unvergleichliche Geschmackserlebnisse bescherte, und bedauerte die Leute, die nicht genießen konnten. Aber gleichzeitig war diese Leidenschaft auch ein Fluch. Die meisten Menschen um ihn herum fanden seine Schwäche für Wohlschmeckendes sympathisch, nicht zuletzt weil sie hin und wieder von seiner kulinarischen Begabung profitieren durften. Früher hatte auch Astrid daran ihre Freude gehabt, dachte er, doch das hatte sich inzwischen geändert.
    Bestimmt zum zehnten oder elften Mal drehte sich Georg auf die andere Seite. Manches hatte sich in letzter Zeit an seiner Frau verändert, vor allem war sie vollkommen unnachsichtig ihm gegenüber, wenn er wieder einen Termin vergessen oder ein Versprechen nicht eingehalten hatte. Er hatte das Gefühl, dass sie geradezu den Streit suchte, keiner Diskussion aus dem Wege ging und alles immer, wie unwichtig es auch sein mochte, bis zum letzten Punkt ausdiskutieren wollte und erst zufrieden war, wenn er mal wieder als der Buhmann dastand. Er war ein geduldiger Mensch, doch langsam erreichte auch er seine Grenze, und er sah nicht ein, immerfort seinen Mund zu halten. Das war nicht die Art von Beziehung, die er wollte. Er wusste, dass er seine Fehler hatte, und gab zu, wenn er etwas falsch gemacht hatte, aber den Prügelknaben spielte er gewiss nicht.
    Er hatte das Gefühl, dass Astrid manches nachholen wollte, auf das sie der Kinder wegen verzichtet hatte. Manchmal hatte er ihren Ehrgeiz, die perfekte Mutter sein zu wollen, eigentlich übertrieben gefunden. Aber sie ließ sich ihre Vorstellung nicht ausreden und hatte immer behauptet, sie wolle das so. Jetzt räumte sie ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen wieder mehr Vorrang ein, was er ja auch in Ordnung fand – nur hätte auch er gern etwas davon gehabt. Seit letztem Sommer ging das schon so, seit … na ja, vielleicht bildete er sich da auch was ein.
    Segeln war nun mal nicht sein Ding. Als er Astrid kennengelernt hatte, nahm sie ihn einmal in ihrem Piraten mit auf die Ostsee. Ihm war kotzübel, aber er stand tapfer diesen Versuch durch, der sein einziger blieb. Im letzten Frühjahr war dann der neue Kollege in Astrids Beratungsstelle gekommen, Norddeutscher wie sie und passionierter Freizeitkapitän. So waren Astrid und Martin des Öfteren zusammen segeln gegangen und Georg freute sich, dass seine Frau endlich einmal wieder ihrer alten Leidenschaft

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