Kochwut
für Unfrieden gesorgt hatte. Dass er Carola so konsequent am Telefon abgefertigt hatte, erfüllte ihn immer noch mit Genugtuung. Ohne die Details der anonymen Briefe zu nennen, erzählte er Steffen davon, der seine sonst so sprichwörtliche Noblesse leicht verlieren konnte, wenn es um Carola ging. Steffen erhob sich und gratulierte ihm von Herzen zu seiner Tat. Nachdem sie auch noch das Gastgeschenk, eine Flasche Burgunder aus der Nähe von Beaune geleert hatten, fühlte Georg sich fast als Held.
Kapitel IX
Sie hatten noch nie zusammen gefrühstückt – tatsächlich! Bei dieser Erkenntnis lächelte Hilde belustigt in sich hinein. Irgendwie komisch, aber heute feierten sie dann endlich Premiere. Pierre hatte zwar wieder nicht im Verwalterhaus übernachtet und sich gestern Abend recht früh verabschiedet, doch er hatte ihre Einladung zum gemeinsamen Frühstück gern angenommen.
Die Angelegenheit, die ihn bereits am Vorabend beschäftigt hatte, ließ Pierre offensichtlich keine Ruhe. Er hatte ihr immer noch nichts Genaues erzählen wollen und noch einmal betont, er müsse sich selbst erst Klarheit verschaffen. Er erwähnte nur, dass es irgendwie um eine Nachfolgeregelung ging, im Zusammenhang mit seinem Wunsch, in nicht allzu ferner Zeit seine vielen Aktivitäten etwas einschränken zu wollen. Er schien es also wirklich ernst zu meinen mit seinem Versprechen vom ruhigen Leben auf Güldenbrook, was Hilde sehr freute.
Sie war früh aufgestanden, denn sie wollte ein besonders köstliches Sonntagsfrühstück servieren, und Pierre hatte zugesagt, sich dafür Zeit zu nehmen und erst später zur Aufzeichnung ins Kavaliershaus zu stoßen. Er müsse lernen, dass seine Mitarbeiter auch einmal ohne ihn auskommen könnten, hatte er gesagt, und dem konnte Hilde nur zustimmen.
Noch war es dunstig draußen. Doch die Helligkeit hinter dem Nebelschleier kündigte einen weiteren klaren, kalten Wintertag an. Sie summte fröhlich vor sich hin, sah nach dem ruhenden Teig für die Heißwecken, der betörend nach Butter, Hefe und Kardamom duftete, und stellte sich Hinrichs glückliches Gesicht vor, der dieses Gebäck, vor allem warm aus dem Ofen, über alles liebte. Dazu noch die selbst eingekochte Rhabarbermarmelade, das war für ihn ein Hochgenuss!
Sie deckte den kleinen Tisch vor dem Fenster. Zu dritt ließ es sich hier gut sitzen und vom warmen Zimmer aus den Blick über die zwar kahle, aber durchaus reizvolle Winterlandschaft schweifen lassen. Man konnte Rotwild auf den Feldern beobachten, manchmal auch einen Hasen oder die schwarzen Krähen, die sich im laublosen Geäst einer Blutbuche lautstark um Futterbeute zankten, oder hin und wieder eine Formation Wildgänse, die an den zahlreichen kleinen Gewässern in der Gegend überwinterten. Ob es wohl für die Tiere ein Problem war, wenn der starke Frost weiter anhielt und alles zufror?
Hilde legte die von ihrer Mutter mit blauen Blumenranken bestickte Decke auf und holte das blau-weiße Geschirr aus dem Schrank. Wenn sie mit ihrem Vater allein war, trieb sie selten so einen Aufwand, höchstens an den Geburtstagen, Weihnachten oder Ostern. Umso mehr Freude bereiteten ihr diese Vorbereitungen heute, da sie für einen lieben Gast waren, der das sicherlich auch zu schätzen wusste. Sie faltete noch ein paar passende Servietten und stellte die Vase mit den weißen Rosen in die Mitte des Tisches. Nun fehlten nur noch die Kerzen. Mit heiterer Vorfreude blickte sie noch einmal auf das einladende Arrangement und dann auf die Uhr. Viertel vor neun. In einer Viertelstunde würde Pierre erscheinen, denn er war stets pünktlich.
Als Hinrich kurz darauf in die Stube kam, mischte sich in den Duft der im Ofen backenden Heißwecken das kräftige Aroma von gebratenem Speck.
»Moin Hilde! Das riecht ja man verdammt gut hier. Hoffentlich geht das bald los. Ich hab schon mächtig Hunger.«
»Moin Vadder! Gleich kannst du richtig zulangen. In gut fünf Minuten kommt Pierre, und dann fangen wir sofort an zu frühstücken. Du kannst ja schon drüben am Fenstertisch Platz nehmen.«
»Wie hast du das alles wieder fein gemacht, min Deern«, sagte der alte Mann bewundernd, als er den schön und reich gedeckten Tisch sah und sich mit langsamen Bewegungen auf einem Stuhl niederließ.
Wenig später stand die Kanne mit dem Tee auf dem Stövchen, die Heißwecken waren fertig gebacken und verströmten ihren Duft nach Zimt und Kardamom. Das Omelett mit Speck kühlte langsam aus. Inzwischen war es zehn nach
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