Kochwut
zusammen glücklich und alt werden, und Georg gönnte ihm das von Herzen. Steffen war ein aufrichtiger, hilfsbereiter Mensch mit einem großen Gerechtigkeitssinn, jemand, dem Freundschaft auch eine Verpflichtung bedeutete, wie Georg selbst schon erfahren hatte, weshalb er dem Freund alles Glück für seine Beziehung wünschte. Einen Moment kam ihm seine eigene Situation in den Sinn, doch er versuchte sofort, diesen Gedanken auszublenden, um sich nicht die gute Stimmung zu verderben. Vielleicht war das Zusammenleben zwischen zwei Männern einfacher? Er hatte keine Ahnung. An Steffens Orientierung auf das eigene Geschlecht hatte er sich schon lange gewöhnt, aber manche Fragen wagte er denn doch nicht zu stellen. Wahrscheinlich gab es zwischen zwei Männern genau so viele Probleme wie zwischen einem Mann und einer Frau. Liebe und Leben unter einen Hut zu kriegen, war eben nicht immer leicht.
»Oh Steffen, das wird perfekt! Du hast wirklich alles so gut geplant, da kann gar nichts schiefgehen!«, beruhigte Elizabeth ihren zukünftigen Schwager. »Und ich bin die ganze Woche hier und kann euch helfen, wenn noch etwas erledigt werden muss. Ich muss mir nur noch ein paar Schuhe kaufen. Mein Kleid habe ich ja schon, thank God!«
Bei diesem Stichwort fiel Georg ein, dass er immer noch nicht nach seinem dunklen Anzug geschaut hatte. Es war sein Hochzeitsanzug. Das gute Stück hatte also schon 14 Jahre auf dem Buckel, und er konnte sich nicht erinnern, wann er ihn zum letzten Mal getragen hatte. Da sich nicht leugnen ließ, dass er in den letzten Jahren ein paar Kilo zugelegt hatte, würde er mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr hineinpassen.
»Ich fürchte, ich muss mir noch einen Anzug kaufen«, sagte er mehr zu sich selbst. Es schien ziemlich bedrückt geklungen zu haben, denn die anderen fühlten sich bemüßigt, ihn zu ermutigen, dass er bestimmt das Richtige finden werde, so schwierig sei das gar nicht, und falls er in Lübeck nichts bekäme, in Hamburg bestimmt. Er nickte wenig überzeugt. Zum einen dachte er an seine knapp bemessene Zeit und zum anderen daran, wie verhasst ihm jede Art von Kleiderkauf war.
»Also, wenn du willst George, dann komme ich mit. Mir macht das Spaß. Ich bin eine ziemlich gute Einkaufsbegleiterin!«, bot Elizabeth ihm an. »Ehrlich, ich würde das wirklich gern tun!«
»George, das würde ich auf jeden Fall annehmen! Das ist eine Superidee! Meine Schwester ist nämlich eine echte Fachfrau. Sie hat einen absolut angesagten Laden in Soho.«
David und Steffen waren von der Idee ganz begeistert, Georg war ein wenig skeptisch, ob eine Modespezialistin wohl die Richtige war, um mit ihm nach einem guten Anzug zu schauen. Normalerweise trug er Cordhosen und Jeans, sportliche Hemden und Sweatshirts, vielleicht mal ein Jackett, er liebte es eher leger. Aber ob es der heiteren Stimmung des Abends geschuldet war oder dem mittlerweile reichlich genossenen Rotwein und den Brandys, plötzlich fand auch Georg die Vorstellung eines gemeinsamen Einkaufsbummels mit Elizabeth ganz ausgezeichnet, und er nahm dankbar an.
Auf einmal zupfte Elizabeth Georg am Ärmel.
»Ich muss dir was gestehen, George. Ich bin eine der letzten Süchtigen, und bei meinem strengen Bruder und seinem Verlobten ist ja Rauchen verboten. Wenn ich dich beim Einkaufen begleite, vielleicht kannst du jetzt ja auch mit mir nach draußen kommen? Ich brauche unbedingt eine Zigarette! Oder bist du auch einer von uns Aussätzigen?«
Georg hatte sein Leben lang nicht geraucht. Er begleitete Elizabeth trotzdem nach draußen, denn er wollte mehr über diese lebhafte, offene Frau erfahren, die ihn ziemlich beeindruckt hatte, wie er zugeben musste. Und während sie ihre Rauchwolken in die Luft pustete, standen sie da und redeten über Gott und die Welt. Sie blieben noch auf der Terrasse und unterhielten sich angeregt, obwohl die Zigarette längst zu Ende und die Temperaturen schlicht menschenfeindlich waren. Steffen kam schließlich heraus und fragte, ob sie schon draußen festgefroren wären und er ihnen die Getränke auf die Terrasse bringen müsse.
Als sie wieder im Wohnzimmer waren, setzte sich David ans Klavier, spielte alte englische Schlager, und seine Schwester sang dazu. Ihre Stimme klang ganz passabel. Es war inzwischen nach 1 Uhr. An die miese Stimmung, in der er hier angekommen war, konnte Georg sich schon gar nicht mehr erinnern. Jetzt war er sogar in der Lage, über die Sache mit Carola zu lachen, die zwischen ihm und Astrid
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