Kochwut
Georg, wie geit di dat?«
»Mir geht’s gut, Heini. Und, was machen die Knochen?«
»Doll is das nich. Die Kälte tut mir gar nicht gut. Aber wat willst moken? Der Winter wird wohl noch eine Weile dauern.«
»Und dieses Jahr verdient der auch so genannt zu werden. So eisig war es schon lange nicht mehr.«
»Aber dat mutt ja ook mal wedder. Die Natur braucht das.«
»Geht’s dir wirklich gut, Georg?«, fragte seine Schwiegermutter nach, als er sie kurz darauf begrüßte, »du siehst ein wenig erschöpft aus, finde ich.«
Johanna, nur wenige Jahre jünger als ihr Mann, war weder körperlich noch geistig ihr Alter anzumerken, und ihrem scharfen Blick entging nach wie vor nichts.
»Es war halt ein bisschen spät gestern und vielleicht auch ein bisschen viel.«
»Ach so, habt ihr gefeiert?«
Angermüller nickte.
»Ich war gestern bei Steffen eingeladen. Wegen des großen Festes am kommenden Wochenende …«
Das Wort Hochzeit oder Partnerschaftsfeier wollte er nicht benutzen. Bis vor Kurzem hatte Johanna zumindest vorgegeben, nicht zu ahnen, dass Steffen homosexuell war, und sich immer nur gewundert, dass ein so gut aussehender Mann auf ewig Junggeselle bleiben wollte. Sie schätzte den kultivierten Steffen sehr, der ein ausgewiesener Kunst- und Antiquitätenkenner war und in einem recht bekannten Laienensemble Cello spielte. Sie liebte die Gespräche mit ihm über Kunst und Kultur – wobei sie eine genau umrissene Vorstellung hatte, was dazu zu zählen war –, vor allem aber liebte sie den gepflegten Klatsch über Lübecks bessere Gesellschaft, dem sie mit Steffen nach Herzenslust huldigen konnte. Inzwischen war auch ihr zu Ohren gekommen, dass Steffen mit einem Mann zusammenlebte.
»Ach ja, der Herr von Schmidt-Elm. Das war ja eine Überraschung.«
Jetzt lachte sie ein wenig verlegen ihr immer noch mädchenhaft helles Lachen.
»Na ja, da kommt unsereiner nicht mehr mit. Trotzdem, er ist ein wirklich feiner Mensch, dein Freund.«
Angermüller staunte. Johanna konnte ja richtig tolerant sein! Plötzlich bewegte sich ihr Zeigefinger energisch vor seinem Gesicht.
»Aber du Georg, du musst unbedingt besser auf deine Gesundheit achten!«, sagte sie streng. »Nicht mehr so viel Alkohol! Und vor allem musst du endlich einmal abnehmen! Wie sieht das denn aus?«
Sie klopfte ihm tadelnd auf den sich wölbenden Bauch.
»Sag mal, Georg«, nahm sie ihn darauf beiseite und flüsterte fast. »Was macht eigentlich euer Freund, der Herr Aalsen hier?«
»Das musst du deine Tochter fragen. Martin ist Astrids Kollege und mit ihr befreundet. Sie sagte, Sigrid habe ihn eingeladen, weil die ihn so nett fände.«
Johanna schüttelte unwillig den Kopf.
»Na ja, wahrscheinlich findet ihr mich zu altmodisch. Aber ich finde das unpassend, ihn immer zu solchen familiären Gelegenheiten mit einzuladen. Die Leute könnten ja auf dumme Gedanken kommen.«
Angermüller staunte wieder. Eben noch das großzügige Verständnis für Steffen, und jetzt wieder die alte engstirnige Weltsicht. Obwohl er ihr in diesem Fall nur zustimmen konnte. Schließlich waren ihm selbst ja schon alle möglichen Gedanken gekommen. Aber Johanna war bereits beim nächsten Thema.
»Ist das nicht entsetzlich, was mit dem Grafen von Güldenbrook passiert ist! Habt ihr denn schon den Mörder?«
»Leider noch nicht. Aber wir tun, was wir können.«
»Die von Güldenbrooks, das ist ja ganz alter Adel«, sagte sie ehrfürchtig. »Und jetzt gibt es nur noch den einen Sohn. Eine Tragödie!«
Johanna sprach, als ob sie mit der Familie Güldenbrook verwandt wäre. Sie als alteingesessene Lübeckerin zählte eben auch zu besonderen Kreisen. Und ausgerechnet sie hatte einen Oberfranken als Schwiegersohn bekommen, der diesen exotischen Namen Angermüller trug und dem man seine Herkunft an der Sprache immer noch deutlich anhörte. Auch wenn sie nach all den Jahren nun hin und wieder so etwas wie Herzlichkeit gegenüber Georg an den Tag legte, ihren Frieden mit diesem Umstand hatte sie immer noch nicht gemacht.
»Ach ja, Georg, nun erzähl! Güldenbrook! Hat denn der Lebouton was mit der Sache zu tun? Das finde ich ja furchtbar spannend!«
»Tut mir leid, Sigrid. Zu den laufenden Ermittlungen darf ich leider gar nichts sagen.«
»Hach, du immer mit deiner altmodischen Verschwiegenheit! Also, diese Kochsendung von dem Lebouton, die finde ich ja ganz toll!«
Dies sagte Sigrid, die nie einen Kochlöffel in die Hand nahm und sicherlich auch für diese Feier das
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