Kochwut
und nur das zählte. Auf der Autobahn war wenig los. Jansen setzte das Blaulicht aufs Dach und konzentrierte sich auf einen neuen Geschwindigkeitsrekord. 25 Minuten später hatten sie die Landstraße erreicht, und die kleinen Orte flogen nur so vor den Autoscheiben vorbei.
»Von wegen Fliege. Vielleicht stimmt das ja sogar. Der junge Güldenbrook sagte doch gestern was von einem Privatflugzeug«, murmelte Jansen plötzlich.
»Mensch Claus! Du bist ja richtig gut, da hab ich jetzt gar nicht mehr dran gedacht. Das sollten wir auf jeden Fall im Auge behalten.«
Als sie bald darauf über die Allee auf Gut Güldenbrook zufuhren, das eindrucksvoll in der Wintersonne vor ihnen lag, kam ihnen eine lange Reihe von Fahrzeugen entgegen, und der Innenhof war ziemlich leer. Auch die ganzen Medienleute schienen das Feld geräumt zu haben. Sie parkten den Wagen gleich beim Kavaliershaus und betraten es durch das rechte Portal. Der Mann mit dem Knopf im Ohr begrüßte sie wie alte Bekannte. Auf dem Flur und in der Gesindeküche drängten sich die Leute von der Technik, die Hiwis und die Praktikantin, die Gastköche, die drei Lehrlinge, die Kandidaten und Alix Blomberg. Es schienen fast alle, die mit der Show zu tun hatten, versammelt zu sein.
»Ach, die Herren von der Kripo! Ich grüße Sie!«
Die Regieassistentin wirkte ausnahmsweise richtig erfreut, sie zu sehen, stürzte gleich auf die beiden Beamten zu und gab ihnen die Hand.
»Gut, dass Sie da sind.«
Angermüller wunderte sich etwas über die euphorische Begrüßung und hatte keine Ahnung, was die Frau eigentlich von ihnen erwartete. Die Gespräche der anderen verstummten, und alle Augen richteten sich auf ihn und seinen Kollegen.
»Guten Morgen, Frau Fischer! Seit wann genau vermissen Sie denn Ihren Chef?«, fragte er.
»Also, Pierre wollte heute etwas später kommen. Normalerweise fangen wir so kurz nach 11 Uhr mit der Aufzeichnung an, und er wollte circa eine halbe Stunde vorher da sein. Aber er ist nicht gekommen.«
»Haben Sie in seiner Wohnung nachgeschaut?«
»Herr Kommissar, ich bin doch nicht auf der Wäscheleine groß geworden«, entgegnete Grit Fischer gut gelaunt. Überhaupt gab sie sich heute locker und aufgeräumt und schien die Verantwortung, die ihr in dieser Notfallsituation zugefallen war, richtig zu genießen. Die Praktikantin, die am Tisch hinter ihr saß, kaute wieder einmal konzentriert auf einem Kaugummi und beobachte mit amüsiertem Grinsen ihre Chefin.
»Wir haben an alles gedacht«, lobte die sich gerade. »Wir haben in seiner Wohnung, im Kavaliershaus, im Restaurant – überall haben wir nachgesehen. Nichts!«
»Und dann haben Sie bei der Zentrale in Lübeck angerufen?«
»Nicht sofort. Wir haben erst noch eine Weile abgewartet, ob er doch noch auftaucht, und haben auf dem Gut noch mal drinnen und draußen nach ihm gesucht. Ohne Erfolg.«
»Die Möglichkeit, dass Herr Lebouton Güldenbrook verlassen hat, haben Sie nicht ins Auge gefasst?«
»Doch nicht, wenn wir Produktion haben«, sagte Grit Fischer nachsichtig lächelnd. »Außerdem steht sein Wagen ja auf dem Hof.«
»Dann erst mal danke, Frau Fischer«, meinte Angermüller schon leicht ungeduldig. Das führte alles nicht so richtig weiter. Er blickte in die versammelte Runde.
»Hat denn irgendjemand von Ihnen den Herrn Lebouton heute Morgen gesehen?«
Allgemeines Kopfschütteln war die Antwort.
»Haben Sie sonst irgendwelche ungewöhnlichen Beobachtungen gemacht?«
Wieder nur Kopfschütteln.
»Wenn ich dazu noch was bemerken darf?«
Als Angermüller nicht sofort reagierte, hob die Regieassistentin den Finger wie ein Schulkind, das sich meldet, und sagte noch einmal energisch: »Entschuldigung!«
Angermüller nickte nur. Langsam wurde die Frau irgendwie lästig.
»Also soweit ich weiß, hat Hilde Dierksen als Letzte den Chef gesehen, und zwar gestern Nacht.«
»Okay, danke Frau Fischer.«
»Sie hatte auch die Idee, die Polizei zu benachrichtigen. Vielleicht sollten Sie gleich mit ihr sprechen.«
»Wenn Sie das sagen. Können Sie uns denn jetzt auch noch einen Tipp geben, wo wir Frau Dierksen finden?«
»Hoffentlich ist dem Herrn Lebouton nichts zugestoßen!«
Natürlich hatte Hinrich sofort mitbekommen, dass etwas nicht in Ordnung war, nachdem Grit Fischer seine Tochter vor der Haustür angesprochen hatte. Ungeduldig hatte er auf Hildes Rückkehr gewartet und mit Bestürzung von Leboutons Verschwinden erfahren. Mit einer Illustrierten in der Hand saß er jetzt
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