Kochwut
finanzielle Lage der Firmen weiß ich nichts. Aber die beiden haben oft heftige Diskussionen gehabt, das stimmt.«
Hilde zögerte.
»Da fällt mir ein, Pierre hat mir erzählt, dass es in seinem letzten Gespräch mit Christian auch wieder so eine Meinungsverschiedenheit gab. Das hat ihn die ganzen letzten Tage immer wieder beschäftigt. Wissen Sie, Christian war ein sehr klarer Mensch mit festen Prinzipien. Man musste ihn wirklich überzeugen, dass er unrecht hatte, und dann sah er das auch ein. In diesem Fall aber war er wohl von seiner Meinung nicht abzubringen.«
»Hat Ihnen Herr Lebouton auch gesagt, worum es bei dieser Auseinandersetzung gegangen ist?«, fragte der Kommissar Angermüller.
»So ganz konkret nicht.«
Ohne etwas wahrzunehmen, starrte Hilde nach draußen in den sonnigen Winternachmittag. Sie versuchte, sich Einzelheiten ihres Gespräches mit Pierre ins Gedächtnis zu rufen. Was hatte er noch über seine Diskussion mit Christian genau gesagt? Irgendwie hatte es etwas mit einem Verdacht zu tun …
»Haben Sie nicht wenigstens eine Vermutung, um welches Thema es zwischen den beiden ging?«, drängte der jüngere Kommissar.
»Ich versuche ja gerade, mich zu erinnern«, entgegnete Hilde ungehalten und sah Angermüller eine beschwichtigende Geste in Richtung seines Kollegen machen.
»Also, da war dieser Verdacht, den Christian gegen jemanden hatte und den Pierre für völlig unwahrscheinlich hielt. Es ging um irgendeine Unehrlichkeit, einen Betrug. Genaueres hat er mir nicht dazu gesagt.« Konzentriert schaute Hilde die Beamten an. »Und dann spielte auch eine Rolle, dass Pierre plant, sich etwas mehr ins Privatleben zurückzuziehen, und zwischen diesen beiden Dinge schien es eine Verbindung zu geben, meine ich.«
»Und mehr wollte er Ihnen darüber nicht erzählen?«
»Pierre hat gesagt, er müsse sich erst einmal selbst Klarheit verschaffen. Ja, genau so hat er sich ausgedrückt.«
Hilde fiel noch etwas ein, das sie sehr beunruhigend fand: »Wenn ich das richtig verstanden habe, sah Pierre auch gewisse Zusammenhänge mit den Umständen von Christians Tod.«
»Aha«, machte der dunkelhaarige Kriminalhauptkommissar nachdenklich.
»Ja, deshalb hat er sich gestern Nacht auch relativ früh verabschiedet. Er wollte der Sache auf den Grund gehen, sagte er.«
»Sagen Sie, hat Herr Lebouton einmal gesagt, wie er sich seinen Rückzug ins Privatleben so vorstellt?«
»Nicht im Detail. Ich weiß nur, dass er zumindest zu der Fernsehshow eigentlich schon länger gar keine Lust mehr hat. Er ist der Meinung, dort bräuchte man mal wieder ein neues Gesicht.«
»Und, hat er schon einen Nachfolger ausgeguckt?«
»Er hat wohl schon eine Idee. Aber auch darüber hat er bisher noch nichts erzählt. Pierre redet nicht gern über ungelegte Eier.«
»Na gut, Frau Dierksen. Dann wollen wir nicht länger stören.«
Von einer Sekunde zur anderen schien der sonst so bedächtig wirkende Kommissar es plötzlich sehr eilig zu haben. Er stand auf, und sein Kollege tat es ihm gleich.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Lassen Sie denn jetzt das Gelände systematisch nach Pierre absuchen?«
»Glauben Sie uns, Frau Dierksen, wir tun alles, damit Herr Lebouton unversehrt wieder auftaucht«, sagte darauf dieser Angermüller freundlich und verabschiedete sich schnell. Hilde war mit seiner Antwort überhaupt nicht zufrieden. Das sollte wohl heißen, dass der Verdacht gegen Pierre keinesfalls ausgeräumt war und die Polizei wer weiß wo nach ihm fahnden, aber nicht unbedingt hier intensiv nach ihm suchen würde.
Noch eine ganze Weile stand sie an der Tür und sah den Kommissaren nach, wie sie sich in Richtung Herrenhaus entfernten und dann in dem kleinen Park daneben verschwanden. Sie spürte, ja, sie wusste, dass Pierre hier irgendwo sein musste. Er war nicht Christians Mörder, da war sie sich inzwischen vollkommen sicher. Und er war bestimmt nicht abgehauen. Er war ganz in der Nähe, und er war in Gefahr.
»Was ist los, Georg? Du hast dich plötzlich so ratzfatz verabschiedet.«
Angermüller und Jansen überquerten den Hof, auf dem es wieder voller geworden war. Die Zuschauer, die zum nächsten Aufzeichnungstermin von ›Voilà Lebouton!‹ gebucht waren, trafen ein.
»Lass uns kurz in den kleinen Park da nebendran gehen. Ich brauch einen Moment Ruhe«, tat Angermüller seinem Kollegen kund. »Ich muss meine Gedanken sortieren.«
Jansen zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Dann mach das mal. Ich für
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