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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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Erst nach dem Auflegen fiel ihm ein, dass Sarahs Mutter doch Rosa Guttlers Schwester war, eine Deutsche also. Aber egal.
    Der Portier kannte das Lokal und beschrieb halbwegs nachvollziehbar den Weg. Lothar Sahm wagte es dennoch nicht, das Leihauto zu nehmen, er bestellte ein Taxi. Obwohl er bei der Herfahrt den Eindruck gewonnen hatte, Taxis seien in Seattle allgegenwärtig, zog es sich doch zehn Minuten, bis eines vorfuhr. Weitere 20 Minuten dauerte es, bis das Lokal erreicht war, eine leicht heruntergekommene Kellerkneipe im Mondschatten eines Wolkenkratzers. Er bezahlte, bat den Taxifahrer kurz zu warten, was sein Glück war, denn Sarah war in dieser Kneipe nicht zu finden. Vielleicht war sie austreten? Er gab dem Taxifahrer fünf Dollar dafür, dass er sich weitere fünf Minuten geduldete, vergebens.
    Was nun? Es war jetzt nach 23.30 Uhr. Sollte er auf Verdacht ein paar umliegende Kneipen absuchen? Viel wahrscheinlicher war es, dass Sarah längst auf dem Weg nach Hause war, und so gab er seine Suche tief enttäuscht auf. Zugleich war er voll Hoffnung auf den Morgen: Da würde er sie auf jeden Fall erreichen!
    Kurz nach Mitternacht schlich er ins Hotelzimmer. Ellen lag im Tiefschlaf, was ihm einerseits recht war; andererseits bedeutete Tiefschlaf bei ihr, dass sie seltsam pfeifend vor sich hinschnarchte, und das viel lauter und misstönender als bei ihren Unterwegs-Nickerchen. Hinzu kamen der Verkehrslärm, hin und wieder Sirenengeheule, der eine oder andere Hubschrauber, sein verdrehtes Tag-und-Nacht-Empfinden – todmüde lag er stundenlang wach.
     
    Um 5.30 Uhr summte und blinkte Ellens Wecker. Sie sprang sofort aus dem Bett, riss Vorhänge und Fenster auf, atmete zehn Mal tief und schnaubend ein und durch geblähte Backen aus, zählte ihre Kameras durch, sogar zweimal, und verschwand dann im Bad.
    Lothar Sahm quälte sich unter seiner Decke hervor und tastete nach dem Aus-Knopf der Höllenmaschine. Ein Wunder, dass nicht von allen Seiten empörte Nachbarn an die Wände klopften.
    Nur fünf Minuten dauerte Ellens Morgentoilette.
    „Du liegst ja noch im Bett!“, schimpfte sie fröhlich, kaum war sie aus dem Bad zurück. „Auf geht’s, das Abenteuer beginnt!“
    „Kann das Abenteuer nicht auch zwei Stunden später beginnen?“, brummte er mit seiner morgendlich belegten Stimme und klang dadurch grantiger als er war.
    „Du willst doch nicht am ersten Morgen schon zum Hindernis werden?“, fragte sie, immer noch fröhlich, aber etwas schärfer im Ton. Er wollte zumindest keinen Knatsch am ersten Morgen, und so stieg er stöhnend aus dem Bett. Als er aus dem Bad zurückkam, dampfig und duftend vom Duschen, aber nicht munterer, war Ellen schon kariert und gestiefelt, ihr blonder Pferdeschwanz wippte durch die Schnalle einer Baseballkappe. So hatte er sie noch nicht gesehen: so besonders bereit. Auf der Kappe stand „Top-Camping“, dazu das Wappen der Stadt Wallfeld. Sofort kamen ihm Ideen für eine fetzige Glosse – vielleicht als Mitbringsel für die Czibull.
    „Ich lade schon mal ein“, verkündete Ellen nicht ohne einen Hauch von Vorwurf in der Stimme und schnappte sich demonstrativ eine seiner Taschen. Er hockte sich aufs Bett und notierte: „Schlafen sehr ungewohnt, Matratze viel zu weich, es gibt keine Federbetten, nur Decken mit losem Laken, beides fest ums Bett gezurrt, man steckt darin wie in einer Ganzkörper-Zwangsjacke; Duschköpfe fixiert an der Wand; Zr. ausgestattet mit Holy Bibel, TV + Fernbedienung (Batterieklappe mit Leukoplast fixiert), drei Wassergläser; seltsamer Geruch, vermutl. Wanzenmittel; sehr lärmdurchlässige Decken und Wände.“
    Kaum hatte er sich seine Socken gegriffen, war Ellen schon wieder im Zimmer, um sich mit der nächsten Ladung zu bepacken. Ein strenger Blick.
    „Wäre es nicht gescheiter, erst mal zu frühstücken, bevor wir einladen?“, fragte er. „Dann könnte ich hinterher noch Zähne putzen.“
    „Hier gibt es um diese Zeit noch kein Frühstück. Du kannst irgendwo unterwegs was essen.“
    Und schon war sie mit einer weiteren Gepäckladung auf dem Flur. Er beeilte sich, ihr bei ihrer nächsten Rückkehr angezogen und bepackt zu begegnen. Damit war das Zimmer geräumt.
    Es war nicht mal 6 Uhr, da rollte der rote Microvan schon durch die Straßen der träge erwachenden Metropole. Wie selbstverständlich hatte sich Ellen ans Steuer gesetzt, und er war froh drum. Beim Autofahren schlief er gewöhnlich, wegen des beruhigenden Motorbrummens und

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