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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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gleichmäßigen Reifensummens, besser als im Bett. Er wollte sich gerade bequem in den Sitz drücken, die Augen waren ihm schon zugefallen, da patschte Ellen ihm aufs Knie.
    „Ich habe dir Karten und Infomaterial so zurechtgeordnet, dass du mich problemlos lotsen kannst, falls es unübersichtlich wird und damit wir kein Highlight verpassen. Schau mal da!“
    Sie öffnete das Handschuhfach, und er fand einen unhandlichen Stapel Papier verschiedenster Qualität: Landkarten, Reiseführer, Fotokopien... Des lieben Friedens willen nahm er den Stapel aus dem Handschuhfach heraus auf den Schoß. Müde wie er war, würde ihn das Zeug beim Schlafen nicht stören.
    „Was ich noch sagen wollte...“
    Ellen nahm bedeutungsvoll ihre Sonnenbrille ab.
    „Das könnte Probleme geben, wenn du jede Nacht durch die Kneipen ziehen willst. Ich hatte dich nicht so eingeschätzt, deshalb habe ich das nie angesprochen, aber frühmorgens ist das beste Licht, wir müssen spätestens um halb sechs aufstehen.“
    Sie setzte die Brille wieder auf.
    „Spätestens?“
    „Ja, allerspätestens.“
    Lothar Sahm war durchaus kein Kneipenhocker und Langschläfer. Seit er intensiv an seinem Roman arbeitete stand er um sechs auf, halb sechs war auch kein Problem; aber dass sie schon am ersten Tag Druck auf ihn ausübte aufgrund bloßer Unterstellungen, machte ihn trotzig. So blieb er am nächsten Morgen erst recht ein bisschen länger liegen und widersetzte sich damit stumm ihrer frühmorgendlichen Hurtigkeit. Das war ihm eine kleine Genugtuung für weitere diktatorische Anfälle Ellens, die ihm in seiner Übermüdung des ersten Tages besonders auf die Nerven gegangen waren. Am meisten hatte ihn geärgert, dass sie gar nicht daran dachte, wie versprochen unterwegs zum Frühstück einzukehren.
    „Das habe ich nie versprochen. Ich habe gesagt, du kannst unterwegs was essen. Hier!“
    Sie gab ihm einen der Low-Fat-Riegel, mit denen sie sich am Abend im Hotel eingedeckt hatte, einen angebissenen. Mit krauser Nase roch er daran.
    „Wir müssen so schnell wie möglich nach Vancouver, die Sonne ausnützen. Morgen kann es hier locker schon wieder regnen.“
    An der Grenze nach Kanada, immerhin, hatte er einige Minuten Zeit, einen Becher Kaffee und zwei Donuts zu kaufen. Ihm fiel ein, dass er am Morgen nicht nur keine Gelegenheit gehabt hatte, Sarah anzurufen – er hatte ihrer Mutter am Abend zuvor weder seinen Namen gesagt und eine Nachricht hinterlassen, noch hatte er sich die Telefonnummer aufgeschrieben. Er würde sich also ein Handy kaufen und die Auskunft anrufen oder bis zur Rückkehr nach Seattle in vier Wochen warten müssen - und wer wusste schon, ob er sie dann erreichte. Daran konnte er Ellen nicht ernsthaft die Schuld geben, aber es war ihm eine Genugtuung, es doch zu tun. Sie gab ihm weiterhin Gelegenheit, ihr alle Ärgernisse des ersten Tages persönlich in die Schuhe zu schieben. Ihr Gedrängel wurde nicht besser. Sagte sie an der Grenze doch tatsächlich:
    „Kauf dir hier irgendwas zu futtern auf Vorrat. Wer weiß, ob wir mittags schon in Vancouver sind, und vorher wird nicht mehr angehalten.“
    Die Fahrt zog sich elend in die Länge, obgleich die Stadt auf der Karte so nah wirkte. Die Hitze hier! Überhaupt, dieses Kanada! Was hatte er sich an vorgezogener Hochstimmung in den Augenblick gelegt, die Grenze in dieses magische Land zu passieren – von wegen magisches Land. Bretteben war es, dazu ein paar alte Scheunen, Telegraphenmasten, Straßenschilder, Wiesen, Felder, Autobahn, gelegentlich ein Blick aufs Meer. Da war selbst Wallfeld magischer!
    Den Zauber Vancouvers nahm er in seiner Übermüdung kaum wahr. Zudem waren es ausschließlich von Ellen bestimmte Besichtigungshappen, die er zu kosten bekam. Ihn hätten das Aquarium mit Dokumentation der Lachswanderung interessiert, der Canada Place mit Imax-Kino und die Chinatown. Aber Ellen schoss sich auf die Totempfähle des Stanley Parks ein: von vorne, von hinten, von der Seite, von nah, von ganz nah, von weit weg, am liebsten noch von oben, fast wäre sie behängt mit ihren Kameras auf einen Baum geklettert! Dann ein paar Wolkenkratzer-Schnappschüsse, er musste derweil das Auto bewachen, also eineinhalb Stunden Aussicht auf eine hässliche, unbelebte Nebenstraße – und weiter sollte es gehen.
    „Aber hier gibt es doch noch so viel zu besichtigen ... und wahrscheinlich auch zu fotografieren!“, protestierte er.
    „Wir kommen ja am Ende noch mal her. Willst du hier vielleicht

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