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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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er nicht zu machen sich entschieden hatte. Er wollte sich von niemandem mehr sagen lassen, was er zu tun hatte. Wie stark dieser Wunsch nach totaler Unabhängigkeit und der Widerwille waren, sich fremder Autorität zu beugen, wurde ihm jetzt erst bewusst. „Ich will es aber so, und wenn ihr es anders wollt, dann schaut, wie ihr ohne mich zurechtkommt...“ – Konnte das ein Grund sein, einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz an den Nagel zu hängen?
     
    In der Stimmung, in der Lothar Sahm die Redaktion an diesem Montagabend verließ, hatte er wenige Geduldsreserven für Ellens Anwandlungen. Die entscheidende Woche war vorüber. Trotzdem er abgelenkt gewesen war mit Artikeln, die ihm teils ebenso wichtig waren wie die Alaska-Geschichten, hatte er täglich drei Seiten Reiseführer-Entwürfe zusammengebracht und damit keineswegs nur Papier gefüllt. Ellen indes nahm seine Arbeit in Empfang, als sei es genau so: als habe er hastig etwas heruntergeschrieben, um seine Pflicht zu erfüllen.
    „Was denn für eine Pflicht?“, fragte er gereizt. „Ich glaube, es ist an der Zeit, einmal festzustellen, dass ich nicht dein Angestellter bin.“
    „Ach nein? Für dich gilt eine Abmachung wohl nur, wenn sie mit finanziellen Konsequenzen durchgesetzt werden kann?“
    „So ein Quatsch! Bis jetzt habe ich noch keinen Cent Tantiemen gesehen, aber Reisekosten von zweimal über 3.000 Euro abgedrückt. Ganz zu schweigen von der Freizeit, die ich investiert habe.“
    „Du kleine Krämerseele, wie ich mich in dir getäuscht habe. Ich dachte, du bist gern dabei und siehst das als Chance!“
    „Genau so ist das auch, aber ich lasse mich dabei von niemandem herumkommandieren oder beleidigen. Ich habe mich angestrengt und muss mich mit den Texten nicht verstecken. Ich kann nicht beurteilen, ob sie objektiv gut sind, aber auf jeden Fall gehören sie zum Besten, was ich in meinem Leben geschrieben habe. Nimm sie also mit zum Verlag oder schreibe selber welche, wenn du meinst, du kannst es besser, es ist mir egal.“
    „Es ist dir also egal, ob du mir das Projekt versaust?“
    „Ach, Ellen, verdammt, hör doch auf, mir das Wort im Mund herumzudrehen! Und höre vor allem auf, ständig andere für das verantwortlich zu machen was in deinem Leben schiefgeht! Niemand kann was dafür, dass du so beschissen lebst, weder ich noch dein Ex-Mann oder sonstwer.“
    Sie starrte ihn an für einige Sekunden, schlug dann die Augen nieder und hinkte zur Tür.
    „Geh jetzt bitte, ich will allein sein!“
    Ihre Stimme klang ruhig, wenn auch mühsam gefasst; der vibrierende Unterton aber hörte sich nach unheilbarer Verzweiflung an, dazu ihr eingefallenes und blutleer gewordenes Gesicht, ihre erstarrte Mimik. Dennoch ging er ohne eine Entschuldigung oder auch nur den Versuch, sie mit irgendeiner anderen letzten Aussage allein zu lassen. Er redete sich ein, in dieser Situation hätten Worte ohnehin nichts mehr ausrichten können. Tatsächlich sah er sich außerstande, irgend etwas zu sagen, denn was es auch gewesen wäre, es hätte nur geheißen, die Wahrheit zurücknehmen. Wenn ein grober Klotz wie sie nicht in der Lage war, sich einer Lebenslüge zu stellen, wer dann?
    Derlei Selbstberuhigung half ihm wenig. Er machte sich Sorgen. Gleich am nächsten Morgen fuhr er zum Campingplatz. Sie war nicht in ihrem Wohnwagen. Ein gutes Zeichen, fand er zunächst. Sie war unterwegs, also offenbar wohlauf und aktiv. Oder hatte sie eine Dummheit gemacht? So abwegig diese Befürchtung war, sie setzte ihm doch zu.
    Die Wahrheit hätte ihm auf ganz andere Weise zugesetzt. Ellen, von seinem Vorstoß sehr wohl schwer getroffen, wurde anders damit fertig als mit Tränen oder gar selbstzerstörerischen Taten. Sie schluckte ein paar mal, setzte sich dann an ihren kleinen Uralt-Computer, mit dem sie sonst Rechnungen tippte und ihre Kundenkartei verwaltete, und tat genau das, was er ihr in seiner Wut vorgeschlagen hatte, freilich ohne es ernst zu meinen.
    Bis vier Uhr morgens hatte sie einen eigenen Textentwurf verfasst. Lothar Sahms 21 Seiten lagen in einer Schublade ihres Campers, als sie zwei Stunden später in den Zug nach Berlin stieg. Bilder und Texte, so war sie überzeugt, bildeten jetzt eine Einheit, das Buch musste einfach veröffentlicht werden.
    Um auf Nummer sicher zu gehen, gab sie ihre Unterlagen nicht einfach im Verlag ab, sie bestand darauf, wenn schon der Verleger sie nicht empfangen wollte, so doch den Verantwortlichen der Reiseführer-Abteilung zu

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