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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Pranschke
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hält das für eine rhetorische Frage und antwortet deshalb nicht.
    »Ich hab dich was gefragt.«
    »Natürlich nicht. Du hast recht, Dragan. Aber …«
    »Ich kann keine unausgeschlafenen Mitarbeiter gebrauchen.«
    Hinter dem aufgeräumten Schreibtisch, in seinem unauffälligen dunkelgrauen Anzug, ähnelt Dragan einem Buchhalter. Tatsächlich halten ihn manche Nachbarn des Clubs dafür. Wenige kennen ihn so gut wie Zoltan, der bereits in der Heimat für Dragan arbeitete. Früher importierte Dragan Feinkost für die wenigen Privilegierten. Aber während des Balkankriegs sank die Nachfrage nach russischem Kaviar, israelischen Avocados und englischer Orangenmarmelade. Also stieg Dragan auf die Einfuhr von Waffen um. Nach seiner Flucht war es nur konsequent, Spezialitäten aus der Heimat in Deutschland anzubieten. Schnell begriff er, dass der deutsche Markt weniger nach Slibowitz als nach osteuropäischen Frauen verlangte. Und nach Drogen. Beides ließ sich auf denselben Wegen transportieren wie vorher die Avocados und der Kaviar. Dragan sieht sich als Kaufmann. Und als Kaufmann muss man bestimmte Prinzipien verfolgen, will man erfolgreich sein. Ist es zu viel verlangt, von seinen Mitarbeitern das Gleiche zu erwarten?
    »Vielleicht leg ich mich später noch mal hin«, sagt Zoltan. »Ich störe dich ja nur deshalb so früh, weil …«
    »Deine Brille trägst du auch schon wieder nicht.«
    »Ich …«
    »Stell dir vor, hier spazieren gleich die Albaner rein, um mich umzulegen. Würdest du sie überhaupt erkennen?«
    »Genau darüber will ich ja mit dir sprechen.«
    »Über die Albaner?«
    »Übers Umlegen. Vico ist tot.«
    Eine Falte legt sich quer über Dragans Stirn. Er fasst nach seinem Gehstock und starrt Zoltan an.
    »Der Filmregisseur.«
    »Ich weiß, von wem du redest.«
    »Mila hat ihn gefunden.«
    »Putzt sie noch bei ihm?«
    »Jetzt nicht mehr.«
    Dragan schüttelt den Kopf. »Wie oft hab ich ihr einen Job angeboten?«, sagt er.
    »Sie kommt gleich zu mir.«
    »Hat sie dich angerufen?«
    »Ja. Und vorher die Bullen.«
    Anders als Zoltan vor wenigen Minuten erschrickt Dragan nicht bei dieser Nachricht. Er hebt den Blick zur Decke und scheint einen Augenblick nachzudenken. Dann nimmt er seinen Stock vom Schreibtisch und steht auf.
    »Das hat sie gut gemacht. Schließlich hat sie ihn nicht getötet.« Er stützt sich auf den Stock, zieht die Brauen hoch und sieht Zoltan in die Augen. »Hat sie doch nicht?«
    »Natürlich nicht!«
    »Ich könnte sie ja verstehen. Vico war eine Ratte. Oder etwa nicht?«
    Zoltan will zustimmen, aber dieses Mal ist es tatsächlich eine rhetorische Frage, und Dragan schneidet ihm das Wort ab.
    »Er hat erst gestern eine Lieferung bekommen.«
    »Du glaubst, jemand hat ihm den Stoff abgenommen?«
    »Das wirst du herausfinden. Slobo soll dich unterstützen. Wird Zeit, dass der verzogene Junge was lernt.«
    Zoltan seufzt. Er denkt an Martha. Er denkt an seine Schmetterlinge. Er will nach Hause.
    »Wenn die Bullen ein Pfund Koks in Vicos Haus finden«, sagt er, »dann erzählen sie es nicht unbedingt gleich der Presse.«
    »In dem Fall bräuchte ich euch auch nicht«, sagt Dragan. »Lesen kann ich selbst.«
    Er kommt um den Schreibtisch herum und geht an Zoltan vorbei zum Fenster. Zoltan riecht sein Aftershave. Er selbst ist noch unrasiert.
    »Du sagst, deine Schwester hat mit der Polizei gesprochen?«
    »Ja, aber sie hat einen falschen Namen benutzt.«
    Dragan lacht leise. »Na, dann wollen wir mal hoffen, dass die Ermittler ihre richtigen Namen benutzen. Und dass Mila sich daran erinnert.«
    Zoltan ahnt, worauf Dragan hinauswill. Nicht wenige Beamte sind Stammkunden im Club Royal oder in einem von Dragans anderen Etablissements. Und in diesem Geschäft wäscht eine Hand die andere.

FÜNF
    Es ist bei jedem Casting das Gleiche. Egal, ob Rollen in einem Film, in einer Fernsehserie oder in einem Werbespot zu besetzen sind. Jeder bietet jedem Zigaretten an und gibt sich entspannt, obwohl doch jeder nur den Moment herbeisehnt, in dem er endlich hereingerufen wird. Alle bemühen sich, freundlich aufeinander zuzugehen. Die Gespräche kreisen um Alltägliches, um die Explosion der Spritpreise oder um die Fußball-Europameisterschaft. Man lächelt einander zu, macht Komplimente für Frisuren, Figuren und Kleidung. Aber Gespräche über den Job vermeidet man.
    Das hat Paula schon immer irritiert. Auch heute ist noch kein Wort über den Film gefallen, um den es hier geht. Dabei kommt es selten

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