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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Pranschke
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»Das höre ich öfter. Ich hab so ein Durchschnittsgesicht«, sagt sie und dreht sich um.
    »Ganz im Gegenteil.«
    Sie lässt ihn neben den Containern stehen, ohne noch ein Wort zu sagen. Den Rucksack hält sie weiterhin mit verschränkten Armen vor der Brust. Noch immer erscheint er ihr zu schwer. Hat sie vergessen, etwas herauszunehmen? Doch hier auf der Straße will sie nicht darin herumkramen. Womöglich starrt ihr der Spanner von gegenüber noch hinterher. Wahrscheinlich ist sie einfach so geschwächt von der vergangenen Nacht, dass ihr alles zu schwer erscheint.
    Am Kiosk verlangt sie den Express, den Stadt-Anzeiger und eine Schachtel Marlboro.
    »Du rauchst wieder?«, fragt Bekir.
    Sie kennen sich seit fast fünf Jahren. Der Kioskbesitzer liebt Paulas Filme.
    »Die sind für einen Freund«, lügt sie und stellt fest, dass sie kein Geld dabeihat.
    »Zahlst du nächstes Mal«, sagt Bekir. »Schöner Rucksack.«
    Darauf antwortet sie nicht.
    Zurück in ihrer Küche schielt sie zunächst hinter der Gardine zum Balkon des Nachbarn hinüber. Der Balkon ist leer, der Perlenvorhang bewegt sich nicht. Sie wirft die Zigarettenschachtel auf den Tisch, lässt den Rucksack fallen, blättert die Zeitungen durch. Es ist erst ein paar Stunden her, redet sie sich ein. So schnell sind die nicht.
    Trotzdem untersucht sie jede Seite Quadratzentimeter für Quadratzentimeter, als wäre da irgendwo eine versteckte Botschaft zu finden. Sie reißt die Zigarettenschachtel auf und zieht eine Kippe heraus. Die erste seit viereinhalb Jahren. Damals hat sie zum ersten Mal eine Rolle, mit der sie gerechnet hatte, nicht bekommen. Die Schweine hatten eine Jüngere vorgezogen! Unerfahren, aber faltenlos. Wie sollte das weitergehen, wenn ihr so etwas schon mit Anfang dreißig passierte? Paula hat nicht nur über Nacht das Rauchen aufgegeben. Sie trinkt seitdem auch so gut wie keinen Alkohol mehr. Und dreimal wöchentlich trainiert sie jetzt in einem Fitnessstudio.
    Auf der Suche nach Feuer bewegt sie die Zigarette zwischen den Lippen hin und her. Endlich findet sie Streichhölzer, doch dann zögert sie. Schließlich nimmt sie die Zigarette aus dem Mund und zerbricht sie. Die beiden Hälften wirft sie in den Müll. Sie würde jetzt gern trainieren. Schwitzen tut gut. Auf dem Weg zum Fitnessstudio wird sie den Rucksack in einen Mülleimer stopfen. Das hat sie eben schon vorgehabt. Doch dann ist der Typ mit den Khakishorts aufgetaucht.
    Sie hebt den Rucksack vom Boden auf, um ihn ins Schlafzimmer zu tragen. Zusammengerollt hat er in ihrer Sporttasche Platz. Wieder kommt ihr der Rucksack zu schwer vor. Ist er vielleicht gar nicht leer gewesen, als sie ihn aus Vicos Kleiderschrank genommen hat? In dem Augenblick ist sie zu aufgeregt gewesen, um darauf zu achten.
    Paula greift in den Rucksack und ertastet die kühle Oberfläche eines Päckchens. Es ist ein wenig größer als ihre Hand. Sie zieht es heraus und starrt auf einen verschweißten Plastikbeutel, prall gefüllt mit weißem Pulver.

VIER
    Kurz vor neun wacht Zoltan auf. Ohne Wecker, wie jeden Morgen, nach kaum vier Stunden Schlaf. Der Lärm der Straße weckt ihn. Im Sommer, wenn Martha nur bei geöffnetem Fenster schlafen kann, ist es besonders schlimm. Er befreit sich aus ihrer Umklammerung und rollt sich aus dem Bett. Am Küchenfenster raucht er seine erste Zigarette. Dabei schließt er die Tür hinter sich und lehnt sich weit über das Fensterbrett. Er erträgt keinen kalten Rauch in der Wohnung.
    Die Zigarette schmeckt ihm nicht. Er hat sich nur daran gewöhnt. Die Letzte des Tages, gegen fünf am Morgen, raucht er auch immer hier am Fenster. Sie schmeckt ihm besser. Weil es im Morgengrauen so still ist, dass er beim Ziehen das Knistern der Glut hört. Nur wenige Autos fahren dann unter seinem Fenster vorbei. Manchmal ein Wagen der Straßenreinigung, der die Gosse kehrt. Früh am Morgen schweigt die Stadt für ein paar Atemzüge. Dann mag Zoltan sie beinahe leiden. Nur gegenüber im Club Royal ist um diese Uhrzeit Licht. Helga beginnt dort zu putzen. Wenn sie Zoltan am Fenster sieht, winkt sie ihm zu.
    Jetzt, um neun, staut sich schon wieder der Verkehr unter ihm. An der Ecke Luxemburger Straße gab es einen Unfall. Immer wieder hupt jemand unter Zoltans Fenster, als käme er dadurch schneller vorwärts. Andere Autofahrer hupen zurück, und das Hupen steigert sich zu einem Wettstreit. Zoltan verspürt den Drang, hinunterzugehen. Er möchte Autotüren aufreißen und den Fahrern die

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