Kölner Kulissen
gefunden.«
»Was ist passiert?«
»Irgendwer hat ihm den Schädel eingeschlagen.«
»Scheiße.« Zoltan nimmt die Brille ab und reibt sich die Augen. Wer hätte ein Interesse daran, diesen Filmtypen umzubringen? Die Albaner? Aus welchem Grund? »Mach, dass du da wegkommst!«
»Ich bin längst nicht mehr in seinem Haus.«
»Hast du was angefasst?«
»Ich putze dort jede Woche. Das Haus ist sowieso voller Fingerabdrücke von mir.«
»Dann putzt du schlecht.«
»Sehr witzig.«
»Wenn die Bullen dich befragen …«
»Das haben sie schon.«
Er stockt. »Wer hat sie gerufen?«
»Ich selbst.«
»Wie bitte?« Mit der Faust schlägt er auf den Telefontisch.
»Ich dachte, es wäre verdächtiger, wenn ich es nicht täte«, sagt sie. »Cramer hat bestimmt irgendwo notiert, dass ich am Montagmorgen komme.«
Wahrscheinlich hat sie recht. Langsam beruhigt er sich.
»Okay, Mila, du hast also die unschuldige Putzfrau gespielt.«
»Die muss ich nicht spielen, die bin ich schließlich.«
»Ist ja gut.«
»Zoltan …«
Ihr Zögern macht ihn augenblicklich wieder nervös. »Was ist los?«
»Ich hab einen falschen Namen benutzt. War das vielleicht … dumm?«
Zoltan seufzt. »Du rufst die Bullen, um dich nicht verdächtig zu machen – und dann nennst du ihnen nicht deinen richtigen Namen?«
Die Schlafzimmertür wird geöffnet. Martha erscheint im Türrahmen. Ihr Haar ist zerzaust, sie trägt eines von Zoltans Unterhemden. Besorgt sieht sie ihn an.
»Das muss denen doch verdächtig vorkommen«, sagt er.
Mila beginnt zu weinen. »Schrei mich nicht an.«
Er denkt einen Moment nach, sortiert die Fakten. Mila hat nichts Unrechtes getan, also können die Bullen ihr auch nichts. Sie wissen nicht ihren richtigen Namen. Wie bescheuert sind die eigentlich, nicht ihren Ausweis zu verlangen? Aber irgendwo in Vicos Wohnung könnten sie eine Notiz mit ihrem richtigen Namen und ihrer Telefonnummer finden. Und vielleicht finden sie auch etwas anderes. Wann hat Vico die letzte Lieferung bekommen?
»Mila, hör zu«, sagt er. »Du kommst erst mal hierher.«
»Ich bin in einer Viertelstunde bei euch.«
Er will bereits auflegen.
»Zoltan …«, sagt sie.
»Was ist denn noch?«
»Danke.«
Er lässt den Hörer auf die Gabel fallen.
Martha steht noch immer in der Schlafzimmertür. Sie hält die Arme vor der Brust verschränkt. Eine senkrechte Falte teilt ihre Stirn in zwei Hälften.
»Was hat sie wieder Dummes angestellt?«, fragt sie.
»Ich weiß noch nicht, ob es dumm war«, sagt er. »Ich muss zu Dragan.«
Zoltans Boss geht früh schlafen. Jeden Abend gegen halb zehn verlässt er im Club Royal einen aufgeräumten Schreibtisch. Für seine Angestellten beginnt um diese Zeit die Arbeit erst richtig. Von Slaven, seinem Gärtner und Leibwächter, lässt er sich nach Hause fahren. Dort macht er seine zwanzigminütige Abendgymnastik und trinkt einen Whisky. Punkt halb elf liegt er im Bett. Jeden Abend.
Sein Haus steht in der Nähe von Vico Cramers Villa, ist aber nicht annähernd so pompös. Im kleinen Garten eine immer sorgfältig geschnittene Ligusterhecke, ein Goldfischteich und vier Obstbäume: Birnen, Zwetschgen, Mirabellen und Sauerkirschen. Im Erdgeschoss Dragans Schlafzimmer, Büro, Esszimmer, Küche und Bad. Das Obergeschoss betritt er nie, sein steifes Bein macht das Treppensteigen zur Qual. Oben gibt es neben einem Bad zwei weitere Zimmer. In einem davon schläft Slaven, in dem anderen lässt Dragan bisweilen eine seiner Angestellten übernachten. Er kann neben anderen Menschen nicht einschlafen. Kein Auge tut er zu, solange er einen anderen Menschen im selben Zimmer weiß. Also schickt er die Mädchen nach oben, sobald er mit ihnen fertig ist. Wenn sie spät am Vormittag aufwachen, sitzt Dragan längst wieder an seinem Schreibtisch im Club. Slaven fährt ihn jeden Morgen um Punkt acht dorthin.
So kann Zoltan sicher sein, ihn jetzt dort anzutreffen. Er klopft leise an die Tür. Bevor er die Klinke herunterdrückt, wartet er Dragans Antwort ab. Sein Boss schaut von Papieren auf. Er hat kleine hellblaue Augen, sein kurzes Haar ist grau, aber noch dicht. Auf der Schreibtischplatte liegt sein Gehstock, der Elfenbeingriff ist auf Zoltan gerichtet.
Dragan wirft einen Blick auf seine Armbanduhr und sagt: »Du solltest noch schlafen.«
Seit Jahren geht er Zoltan damit auf die Nerven. »Ja, ich weiß. Es ist nur so …«
»Schlafen ist genau so wichtig wie essen und trinken. Würdest du darauf verzichten?«
Zoltan
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