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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Pranschke
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verschweißten Plastikpäckchens schaut daraus hervor. »Und wenn dir das nicht gelingt, warum suchst du nicht wenigstens ein besseres Versteck?«, sagt sie ein wenig lauter. Dabei schüttelt sie den Kopf über ihre Unbekümmertheit. Verhält sie sich nicht so, als wäre sie am Sonntagabend gar nicht bei Vico gewesen? Als säße sie nicht auf einem Pfund Koks?
    »Glaubst du etwa, die Polizei nimmt dir dieses Theater ab?«, fragt sie den Rucksack.
    Und damit nicht genug. Jetzt fängt sie auch noch an, sich für einen Mann zu interessieren. Der Journalist geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Als gäbe es jetzt nichts Wichtigeres.
    »Wer hat dich bei Vico beobachtet und fotografiert?«, fragt sie laut. »Vorher und …« Sie spricht den Satz nicht zu Ende.
    Edgar G. Ulmer. Woher kennt sie diesen Namen? Ihr Adressbuch hat sie schon durchgesehen – Fehlanzeige. Sie wird im Internet nach Ulmer recherchieren. »Warum hast du das nicht längst gemacht?«
    »Weil dir im Moment die nächstliegenden Dinge am schwersten fallen«, beendet sie ihr Selbstgespräch.
    Manchmal dauern diese Gespräche Stunden. Heute hat es sie schnell erschöpft. Sie schaltet den Computer ein und geht in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Sie schwitzt. Noch immer trägt sie das schwarze Kleid, obwohl die Beerdigung schon Stunden zurückliegt. Das Kleid klebt an ihrem Rücken. Durch die Gardine sieht sie wieder den älteren Nachbarn auf dem Balkon gegenüber. Warum ist er ihr früher nie aufgefallen?
    Seit dem Morgen nach Vicos Tod sieht sie ihn täglich. Er scheint sie schon wieder anzuglotzen. Aber bei geschlossener Gardine ist das unmöglich. Ist es doch? Sie knallt das Wasserglas auf die Tischplatte und zeigt dem Mann den Mittelfinger. Er lässt keine Reaktion erkennen. Fluchend wendet Paula sich ab. Zurück im Schlafzimmer setzt sie sich an den Computer.
    Die Trefferquote bei Google spricht eine klare Sprache: Edgar G. Ulmer ist kein Unbekannter. Über dreihunderttausend Einträge gibt es zu seinem Namen. Und kaum dass sie den Wikipedia-Link anklickt, versteht sie auch, warum ihr der Name so bekannt vorkommt. Edgar G. Ulmer hat mehr als hundert Filme gedreht. Seine Karriere hat er in Deutschland als Szenenbildner begonnen. Später, in Hollywood, hat er überwiegend als Regisseur gearbeitet. Zu seinen bekanntesten Filmen gehört »The Black Cat« nach Edgar Allan Poe, ein Meilenstein des Horrorgenres. Erst vor Kurzem hat Paula den Film mit Anselm in einem Programmkino gesehen. Die dichte Atmosphäre und die Bildsprache haben sie beeindruckt. Beides hat sie an das expressionistische Meisterwerk »Das Cabinet des Dr.   Caligari« erinnert. Wie konnte sie nur den Namen des Regisseurs von »The Black Cat« vergessen?
    Sie klickt von einer Website zur nächsten. Und liest, dass einige von Ulmers Filmen eher zweifelhafte Berühmtheit erlangt haben. Werke wie »The Man From Planet X« können mit Ulmers früher Poe-Bearbeitung angeblich nicht mithalten. Trotzdem besitzt der Mann eine treue und große Fangemeinde. Mehr als einmal liest Paula, Ulmer sei der König der amerikanischen B-Movies.
    Egal, wie man den künstlerischen Wert von Ulmers Filmen beurteilen mag – Paula sollte stolz darauf sein, dass eine solche Berühmtheit Kontakt mit ihr sucht. Dass dieser berühmte Regisseur ihr, einer beinahe vergessenen Darstellerin, mit einer Fotokamera auflauert. Die Sache besitzt nur einen Schönheitsfehler: Edgar G. Ulmer, geboren in Österreich-Ungarn, erfolgreich in Hollywood, bekannt und befreundet mit Meistern wie Friedrich Wilhelm Murnau und Fritz Lang, ist bereits 1972 gestorben.
    Also hat ihr ein Spinner geschrieben. Wenigstens versucht sie, sich das einzureden. Doch es gelingt nicht. Was ist versponnen daran, sich einen falschen Namen zu geben? Kaum etwas, wenn man mit einer Mörderin in Kontakt tritt. Einer Mörderin, die man am Tatort beobachtet hat. Die man erpressen will. Dann ist es absolut vernünftig, sich einen falschen Namen zuzulegen. Den Namen eines Regisseurs zu benutzen ist in ihrem Fall sogar originell. Wohlgemerkt, den Namen eines Regisseurs , nicht etwa den eines Schauspielers . Schließlich sagen Regisseure den Schauspielern, was sie zu tun haben.
    Denn damit rechnet Paula. Was sie sich vor ihrer Recherche nicht eingestehen wollte, lässt sich jetzt nicht mehr leugnen. Der Fotograf wird sich wieder bei ihr melden. Und er wird Forderungen stellen.
    Das Kleid klebt nun nicht mehr nur an ihrem Rücken. Sie ist vollkommen

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