Kölner Kulissen
beginnt, im Büro hin- und herzugehen. »Wir haben zwei Tote in acht Tagen. Ein Regisseur, eine Schauspielerin. Die beiden kannten einander. Beide sind zum Zeitpunkt des Todes auf Koks. An beiden Tatorten finden sich Spuren von Kokain. Vermutlich hat Cramer damit gedealt.«
»Wofür wir keinen Beweis haben«, erinnert sie Weyrauch. »Du wolltest doch bei den Fakten bleiben. Aber gut, nehmen wir an, dass Cramer gedealt hat. Was ist mit deiner Theorie, dass Kadrics Leute ebenfalls nach Cramers Mörder suchen – so wie wir?« Ein neuer Ausdruck tritt auf Weyrauchs Gesicht. Er sieht plötzlich ausgesprochen zufrieden aus. »Ich gebe ja zu, dass ich zuerst nichts mit dem Gedanken anfangen konnte«, sagt er, »aber so passt doch alles zusammen: Julia Schwartz erschlägt Cramer und stiehlt ihm den Stoff, den er für Kadric verkaufen soll. Kadric findet das heraus. Also nehmen seine Leute Julia Schwartz das Koks wieder ab. Und legen sie um – Strafe muss sein.«
Hanna muss sich eingestehen: Was Weyrauch sagt, klingt logisch. Genau das hat Zoltan Kapetanovic angedeutet. Wenn sie doch nur offen über ihr Gespräch mit Kapetanovic reden könnte.
»Aber kannst du dir denn wirklich vorstellen«, sagt sie, »dass Julia Schwartz sich Kadrics Kokain unter den Nagel reißt, um selbst ins Geschäft einzusteigen?«
»Ich kann mir allerhand vorstellen«, sagt Weyrauch. »Mich wundert, dass es dir nach all den Dienstjahren nicht genauso geht.«
Hanna bleibt am Fenster stehen und sieht hinunter auf die Straße. »Ich bleibe dabei: Julia Schwartz wurde nicht vorsätzlich getötet. Du hast selbst gesagt, der ungewöhnliche Einschusswinkel spricht für einen Unfall.«
»Auch Profis passieren Unfälle. Vielleicht hat sie sich gewehrt, sodass ihr Mörder den Schuss nicht ordentlich platzieren konnte.«
»Scheiße, Lothar, so kommen wir doch nicht weiter.« Abrupt wendet Hanna sich vom Fenster ab, nimmt ihre Tasche vom Schreibtisch und geht zur Tür des Büros.
»Was hast du jetzt vor?« Weyrauch sieht sie an, die Kaffeetasse auf halbem Weg zum Mund.
»Ich gehe nach Hause. Du hast deine Theorie, ich hab meine. Vielleicht sollten wir unsere Spuren für eine Weile getrennt voneinander verfolgen.«
Zu Hause zieht sich Hanna eine Jogginghose und ein T-Shirt an, um für eine halbe Stunde zu laufen. Marek begrüßt sie nur flüchtig. Lukas ist am Sonntag bei seinen Großeltern geblieben und wird erst morgen Nachmittag wieder von Marek abgeholt – eine spontane Idee von Marek, der sich stets bemüht, vor Lukas nicht mit Hanna zu streiten. Seit dem Wochenende haben sie sich nicht miteinander versöhnt. Hanna schläft noch immer im Wohnzimmer auf der Couch.
Auch heute hilft ihr das Laufen dabei, ihre Gedanken zu ordnen. Der gleichmäßige Rhythmus ihrer Schritte und ihres Atems erhöht ihre Konzentration. Ein paar Runden durch den Rochuspark lassen sie die Dinge klarer sehen. Zurück in der Wohnung weiß sie, was als Nächstes zu tun ist: Sie muss überprüfen, ob Paula Farkas tatsächlich versucht hat, Julia Schwartz anzurufen. Dabei hat das nur wenig Aussagekraft. Schließlich könnte es sich um ein Ablenkungsmanöver handeln. Dasselbe gilt im Prinzip für ihr Alibi, das Hanna ebenfalls überprüfen muss. Laut Piontek wurde Julia Schwartz gegen Mitternacht getötet. Vielleicht besitzt dieser Vincent Wallenstein, bei dem Paula Farkas übernachtet haben will, einen Grund, für sie falsch auszusagen. So wie Weyrauch und Marek auf den Anblick der Schauspielerin reagiert haben, scheint es ihr keine große Mühe zu bereiten, einen Mann um den Finger zu wickeln. Ist es etwa Neid, der sie dazu bringt, Paula Farkas zu verdächtigen? Pass auf, dass du dich nicht in eine fixe Idee verrennst, sagt sie sich. Aber wie auch immer – sie will Wallenstein befragen, und zwar bevor sie sich wieder an Paula Farkas wenden wird.
Im Bad zieht sie die verschwitzten Sachen aus und steigt unter die Dusche. Dabei muss sie sich eingestehen, dass ihr Verdacht doch ziemlich weit hergeholt ist. Hat Weyrauch nicht recht? Ist es nicht normal, seine Freundin anzurufen und sie unangemeldet zu besuchen? Vielleicht ja. Aber warum ist Paula Farkas dann vorhin so rasch aufgebrochen? Wer ein reines Gewissen hat, der spricht auch bereitwillig mit der Polizei. Wenigstens behauptet Hannas Vater das immer.
Warum kommen ihr ständig seine Binsenweisheiten in den Sinn? Sie dreht das Wasser auf. Aber anders als der Schweiß auf ihrer Haut lässt sich die unterschwellige Abscheu
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