Kölner Kulissen
abgenommen hat. Ob sie die gleichen Schlüsse zieht, wenn Julia Schwartz’ Leiche gefunden ist? Mit dem Adressbuch der Toten ist er ihr jedenfalls einen Schritt voraus. Falls er denn in der richtigen Richtung sucht. Dass er Hanna Sydow mit den Fotos ihres Vaters aus dem Club Royal erpresst hat, ist ihm immer noch unangenehm. Eine dumme und schmutzige Geschichte ist das von Anfang an gewesen. Dass ausgerechnet Mila Vicos Leiche finden musste. Dann die Erpressung der Kommissarin. Und heute Nacht Slobos Missgeschick. Zoltan verspürt Ekel. Er hat nur noch einen Wunsch: demjenigen, der diesen Schlamassel begonnen hat, Dragans Koks abzunehmen, damit endlich wieder alles zu seiner natürlichen Ordnung zurückfindet.
Um Viertel nach acht klingelt das Telefon. Am anderen Ende der Leitung sagt Dragan, auch er habe nicht geschlafen.
»Wir haben doch vorhin über Zufälle gesprochen. Erinnerst du dich, Zoltan?«, fragt er.
»Ja. Und?«
»Ich habe auch ein bisschen recherchiert. Du weißt, ich kenne Gott und die Welt – nicht nur in meinen eigenen Geschäftsbereichen.«
»Und was hast du herausgefunden?«
»Julia Schwartz hatte eine Haushaltshilfe.«
Er lässt diesem Satz einen Augenblick der Stille folgen. Zoltan erkennt die Technik der dramatischen Pause, die er sich selbst angewöhnt hat.
»Ich nehme an«, sagt Dragan, »du weißt nichts davon, dass deine Schwester für sie geputzt hat?«
»Wie bitte? Mila?«
»Wenn du es wüsstest und mir verschwiegen hättest, würde mich das sehr enttäuschen, Zoltan.«
»Ich hatte keine Ahnung davon.«
Für einen Augenblick sagen beide nichts. In der Leitung hört Zoltan den Atem seines Chefs.
»Ich glaube dir«, sagt Dragan endlich. »Aber was hältst du von diesem Zufall ?« Er betont das letzte Wort.
»Dass Mila sowohl bei Vico als auch bei dieser Schauspielerin geputzt hat? Was soll ich schon davon halten? Wahrscheinlich hat Vico sie seinen Freunden weiterempfohlen. Oder umgekehrt.«
Dragan lacht leise. »Vorhin hast du meine Frage, ob du an Zufälle glaubst, nicht beantwortet. Du hast gesagt, du siehst dir die Fakten an und handelst danach. Weißt du, so mache ich es auch. Und bei manchen Fakten fällt es mir schwer, an Zufälle zu glauben.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Ich bitte dich, Zoltan. Du weißt genau, worauf ich hinauswill. Es tut mir weh, mit dir darüber sprechen zu müssen. Aber deine kleine Schwester ist mir einfach zu nah an den Leuten, die mit meinem Stoff zu tun hatten. Und die jetzt tot sind, während mein Stoff noch immer verschwunden ist.«
»Dragan, ich schwöre dir, Mila würde niemals …«
»Schwöre nicht. Sag mir lieber, warum sie sich seit Jahren weigert, für mich zu arbeiten – und stattdessen putzen geht.«
Martha erscheint in der Tür und sieht Zoltan irritiert an. Offenbar hat er lauter gesprochen als sonst. Er holt Luft.
»Ich habe bis eben die Adressbücher der beiden verglichen«, sagt er. »Unter den Übereinstimmungen sind mindestens vier Leute, die auf Vicos Beerdigung waren. Gleich heute fange ich an, sie zu überprüfen.«
»Und weißt du, was ich heute mache? Ich unterhalte mich mit deiner Schwester.«
Dragan legt auf, bevor Zoltan etwas erwidern kann. Er starrt den Hörer an wie einen Schmetterling, den er nicht zu bestimmen vermag.
»Schon wieder Mila?«, fragt Martha.
Er antwortet nicht. Sie kommt zu ihm und will ihn umarmen, aber Zoltan weicht ihr aus und tippt auf den Telefontasten herum. Nach dem dritten Klingeln meldet sich eine Männerstimme.
»Wer ist da?«, schnauzt Zoltan in den Hörer.
»Das sollte wohl eher ich fragen.«
»Ist Mila nicht da?«
»Wer?«
»Hol sofort Mila an den Apparat, oder … oder ich komme zu euch rüber.«
Ein leises Lachen in der Leitung. »Ja, klar, komm ruhig rüber. Willst du ’n Ei zum Frühstück?«
»Ich …«
Ohne ein weiteres Wort legt der andere auf.
Zoltan rückt seine Brille zurecht, kneift die Augen zusammen und starrt auf das Display des Telefons. Doch die Nummer, die er gerade gewählt hat, kann er nicht entziffern.
»Scheiße, kannst du mal für mich wählen, Martha?«
Sie nimmt ihm das Telefon aus der Hand und tippt Milas Nummer. Es klingelt lange, bevor sie sich meldet und dann den Hörer an Zoltan weiterreicht. »Sie schläft noch fast«, sagt sie. »Lass es ruhig angehen.«
Zoltan reißt den Apparat an sich. »Wo steckst du, Mila?«
»Soll das lustig sein? Ihr habt mich aus dem Bett geklingelt.«
»Ach ja.« Er stockt. »Du … musst da
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