Kölner Kulissen
kauft sie sich einen rotbackigen Apfel und hält kauend nach dem nächsten Internetcafé Ausschau.
Lange muss sie nicht danach suchen. Einrichtung und Gäste unterscheiden sich kaum von dem Internetcafé, in dem sie zuvor gewesen ist. Wieder entscheidet sie sich für einen Fensterplatz und studiert von dort aus zunächst eine Weile lang die Passanten.
Während der Bahnfahrt hat sie erneut das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Vor dem Fenster des Cafés sieht sie ein paar Jugendliche, die einander mit ihren Handys fotografieren. Eine richtige Kamera trägt niemand.
Kapetanovic ist aufmerksam. Kaum eine Dreiviertelstunde ist es her, dass er Post von Boris Lugosi erhalten hat. Und schon antwortet er. Auch er macht nicht viele Worte:
Was wollen Sie?
Immerhin hat er bessere Umgangsformen als Ulmer, denkt Paula, denn er duzt sie nicht einfach. Sie antwortet:
30.000 Euro.
Sie weiß, dass das für Kapetanovic inakzeptabel sein muss. Julia hat ihr gesagt, dass der Preis für ein Gramm bei rund sechzig Euro liegt. Doch das gilt für den Einzelverkauf an die Konsumenten. Als Zwischenhändlerin könnte sie für ein halbes Kilo wahrscheinlich höchstens zwanzigtausend verlangen. Aber Kapetanovic soll Boris Lugosi ruhig für ein wenig naiv halten. Das ist Teil ihres Plans.
Seine Antwort kommt sofort:
Wann und wo?
Dass er wegen des überhöhten Preises nicht protestiert, bestätigt Paulas Vermutung: Er wird nicht zahlen. Egal, welchen Preis sie genannt hätte, seine Antwort wäre immer dieselbe gewesen. Durchaus verständlich, schließlich fordert er nur sein Eigentum zurück oder vielmehr das Eigentum seines Bosses.
In ihrer nächsten E-Mail schlägt sie einen Treffpunkt in der Innenstadt morgen Nachmittag vor. Dieses Mal lässt seine Antwort ein wenig auf sich warten. In dieser Zeit richtet Paula bei einem anderen E-Mail-Anbieter eine zweite Adresse ein. Dafür gibt sie sich den Namen Bela Karloff. Nachdem Kapetanovic sich mit Ort und Zeitpunkt ihres Treffens einverstanden erklärt hat, schreibt Paula von Bela Karloffs E-Mail-Account eine Nachricht an Edgar G. Ulmer:
Bis morgen habe ich das Geld aufgetrieben.
Sie erklärt ihm, wo er es morgen Nachmittag um Punkt sechzehn Uhr finden könne. Danach loggt sie sich aus, bezahlt die Gebühr für eine halbe Stunde und verlässt das Internetcafé.
Inzwischen ist Mittag. Paulas Magen knurrt. Der Apfel hat ihren Appetit weniger gestillt als geweckt. Sie wundert sich darüber, dass ihr Körper trotz der nervlichen Belastung sein Recht fordert. Wahrscheinlich verbrennt sie gerade vor Aufregung nicht weniger Energie als beim Training im Fitnessstudio. Nach einem Döner mit extra Schafskäse fühlt sie sich besser.
Sie erinnert sich an einen Telefonladen am anderen Ende der Deutzer Freiheit, von dem aus die Anwohner billig in ihre Heimatländer anrufen. Dort gibt es auch drei oder vier Computer mit Internetzugang.
Auf dem Weg dahin lässt sie sich noch einmal das Gespräch mit der Polizei durch den Kopf gehen. Spricht irgendeine Äußerung der Kommissare gegen das, was sie hier gerade vorbereitet? Die Frau hat sie aufs Korn genommen, das ist nicht zu übersehen gewesen. Bei dem Mann hat sie zunächst noch gedacht, sie könnte ihn um den Finger wickeln. Vielleicht funktioniert das nicht mehr, ohne dass sie sich vorher ein bisschen zurechtmacht. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass auch Kommissar Weyrauch ihr nicht glaubt, egal, wie attraktiv oder übernächtigt sie aussieht.
Ist es zu waghalsig gewesen, das Gespräch mit Kapetanovic im Mykonos zu leugnen? Der Kommissar hat ihr versichert, dass sie das Personal des Restaurants befragen werden. Wie konzentriert hat sich die Kellnerin tatsächlich der Fellpflege ihres Rauhaardackels gewidmet? Hat sie Paulas Gespräch mit Kapetanovic vielleicht von der Küche aus mitgehört? Besonders groß ist das Restaurant ja nicht.
Und das ist längst nicht alles, was sie zu befürchten hat. Wenn die Kommissare sie schon ins Visier genommen haben, könnten sie demnächst mit einem Durchsuchungsbeschluss vor ihrer Tür stehen. Und Vicos Krokodillederrucksack liegt noch immer unter ihrem Bett. Großartiges Versteck. Ihr Magen zieht sich zusammen, und der Döner darin wehrt sich dagegen. Paula unterdrückt den Würgereiz und steuert auf den winzigen Telefonladen am Ende der Straße zu.
Offenbar kontrolliert auch Ulmer regelmäßig seinen E-Mail-Eingang, denn er hat schon geantwortet:
Sehr origineller Name! Was soll das Versteckspiel,
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