Kölner Kulissen
trägst.«
In »The Black Cat« trägt Karloff zu Beginn einen Morgenmantel. Paula hat Anselm gebeten, die ersten Kapitel auf der DVD noch einmal abzuspielen und sich dabei neben dem Fernseher zu postieren. Leicht genervt hat Anselm ihrem Drängen nach einigem Zögern nachgegeben. Es ist unheimlich gewesen. Auf dem überdimensionierten Plasmabildschirm ist Karloff beinahe lebensgroß erschienen. Anselm hat daneben wie sein Bruder gewirkt.
»Also, im Gegenlicht, wenn man dein Gesicht nicht genau erkennt und du die Brille abnimmst«, hat Paula gesagt, »ist die Ähnlichkeit echt verblüffend.«
»An Karneval werde ich mich daran erinnern und mich als Frankensteins Monster verkleiden.«
Bevor sie schlafen gegangen sind, hat Anselm sie auf Julia angesprochen. Wie Paula mit ihrem Tod zurechtkomme? Und ob sie es nicht auch merkwürdig fände, dass innerhalb so kurzer Zeit zwei ihrer Kollegen ermordet wurden?
»Es ist noch nicht geklärt, ob Vico umgebracht wurde«, hat Paula geantwortet.
»Das mag ja sein. Trotzdem mache ich mir Sorgen um dich.«
»Du glaubst doch nicht etwa, ein verrückter Serienkiller hat es auf Schauspieler und Regisseure abgesehen? Anselm, du guckst zu viele Filme.«
Dass die ermittelnde Kommissarin am nächsten Morgen mit ihr sprechen wolle, hat sie ihm nicht erzählt. Das Verhör liegt nun eine halbe Stunde zurück. Es hat Paula die letzte Bestätigung dafür geliefert, dass sie ihren Plan durchziehen muss. Verrückt, dass sich so im Nachhinein das Verhör als Glücksfall herausstellt. Die Fotos, die man ihr gezeigt hat, haben ihre letzten Zweifel ausgeräumt. Sie muss die Initiative ergreifen. Es steht jetzt außer Frage, dass der Mann, den die Kommissarin Kapetanovic genannt hat, sie wegen Vicos Koks angesprochen hat. Ob er Julia getötet hat? Es erscheint Paula ziemlich wahrscheinlich. Bei dem Gedanken daran, dem Mörder ihrer Freundin gegenübergesessen zu haben, überkommt sie ein Zittern. Sie besorgt sich einen weiteren schwarzen Kaffee an der Theke des Internetcafés. Dann starrt sie wieder auf den Computermonitor. Das Tastaturgehämmer der anderen hört sie gar nicht mehr.
Ob Kapetanovic gewusst hat, dass er die Besitzerin des Kokains vor sich gehabt hat? Je länger Paula darüber nachdenkt, desto unwahrscheinlicher kommt ihr das vor. Vielleicht geht er systematisch vor und sucht auf der Fährte des Stoffs Vicos sämtliche Bekannte auf, einen nach dem anderen. Bei Julia ist er schnell fündig geworden. Doch hätte Julia ihm Paulas Namen verraten, wäre sie selbst jetzt wahrscheinlich auch schon tot. Vielleicht spielt er sein Spiel mit der Visitenkarte bei allen Bekannten von Vico. Er macht Andeutungen, hinterlässt eine E-Mail-Adresse und wartet auf eine Nachricht, ohne zu wissen, wer ihm schreiben wird. Eigentlich keine schlechte Methode. Und vielleicht besteht darin Paulas einzige Chance, lebend aus der Sache herauszukommen.
Sie surft auf die Website eines der unzähligen Anbieter von E-Mail-Accounts und richtet sich eine neue Adresse ein. Bei den Angaben zur Person erfindet sie einen zweiunddreißigjährigen, in Nippes lebenden Mann namens Boris Lugosi. Von Anselm weiß sie, dass solche Angaben nur selten überprüft werden. Was Ulmer kann, sagt sie sich, kann sie selbst schon lange.
Als sie die Bestätigung ihres Accounts erhalten hat, zieht sie Kapetanovics Visitenkarte aus der Tasche. Mit einer Zahlenkombination als E-Mail-Adresse hat er wirklich übertrieben. Er hätte doch auch einfach irgendeinen Namen erfinden können. Vielleicht ist er mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten nicht allzu vertraut – schließlich hat er einige Jahre älter als Paula gewirkt. Sie tippt Kapetanovics Adresse ein. In die Betreffzeile schreibt sie: Verlust . Der Text ihrer E-Mail besteht nur aus einem einzigen Satz:
Ich habe, was Ihnen fehlt.
Kein Gruß darunter, keine Aufforderung, kein Vorschlag. Jetzt soll er sich rühren.
Paula loggt sich aus und bezahlt ihre Rechnung. Der Kassierer sieht kaum von seinem Monitor hoch. Auch er spielt irgendein Onlinegame und kann offenbar keine Ablenkung gebrauchen. Paula ist das nur recht. Hier wird man sich kaum an sie erinnern. Falls überhaupt jemand auf die Idee kommen sollte, hier nach ihr zu fragen.
Sie geht zur nächsten U-Bahn-Haltestelle und fährt mit der Linie neun bis zum Deutzer Bahnhof. Von hier könnte sie bequem nach Hause laufen. Stattdessen geht sie in die Gegenrichtung zur Deutzer Freiheit. Bei einem türkischen Obsthändler
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