Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall
knöpfte sie sich ohne langes Zögern den stinkenden Kommissar vor.
»An welchem Fall arbeiten wir gerade?«, schnauzte Paula. Scharenberg verschränkte die Arme vor seinem Bauch. Paula stemmte die Fäuste auf Scharenbergs Schreibtischplatte, beugte sich nach vorne und fixierte den Kommissar. Langsam wiederholte sie jedes einzelne Wort. »An … welchem … Fall … arbeiten … wir … gerade?« Scharenberg wich in seinem Stuhl zurück und schwieg trotzig. Paula schlug mit beiden Händen auf den Tisch. Franka Schilling, die sich mit dem Laptop vor Scharenberg und seinem Geruch auf einen Besucherstuhl geflüchtet hatte, zuckte zusammen. Scharenberg zeigte keine Regung. »Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen diese Akte«, Paula donnerte mit der Faust auf die Ordner zum Fall Heck, »durchackern. Stattdessen trampeln sie im Vorgarten einer Stadtratsgattin herum und beschuldigen sie, vor mehr als dreißig Jahren ihren Vater ermordet zu haben. Sind Sie bescheuert? Gehört das zu unserem Fall?«
Scharenbergs Kinn bohrte sich fast in seine Brust.
Paula beantwortete die Frage schließlich selbst. »Nein, es gehört verdammt noch mal nicht zu unserem Fall! Machen Sie hier Ihre Arbeit, ersparen Sie sich und mir Ihre Sonderwege!« Paula holte tief Luft. »Und duschen Sie!« Scharenberg sah sie verletzt an. Doch die Hauptkommissarin war wieder auf dem Weg zur Tür.
»Eine Scharade!«, rief er ihr mit brüchiger Stimme hinterher.
Verwirrt drehte Paula sich zu ihm um. »Eine was ?«
Scharenberg hielt die Akte Heck hoch. »Eine Scharade. Unmengen sinnloser Aktivitäten, um den Eindruck von Arbeit vorzutäuschen, ohne ein Ergebnis liefern zu müssen.«
»Und warum das alles?«, fragte Franka. »Immerhin ist ein Kollege erstochen worden!«
Paula lehnte nachdenklich an der Tür. Scharenberg hatte in Worte gefasst, was sie im Kopf gehabt hatte. Franka die Frage formuliert, auf die sie eine Antwort finden mussten. Sie nickte beiden kurz zu und verließ das Büro.
Scharenberg blickte verwirrt Franka an. »Stinke ich?« Ratlos roch er an seinem Hemd.
Die Polizistin stand auf. »Dusch einfach«, sagte sie und folgte der Hauptkommissarin auf den Flur.
Paula stand bereits im Aufzug, die Tür schloss sich gerade, als Franka sie rief. »Paula?«
Überrascht drehte die Hauptkommissarin sich um. Sie konnte sich nicht erinnern, Franka Schilling das ›Du‹ angeboten zu haben! »Was?«, antwortete sie gereizt, doch die junge Polizistin kam unverdrossen und schweigend auf sie zu. Es lag eine große Zielstrebigkeit in ihrem Gang. Empfindsamere und ängstlichere Menschen als Paula hätten Frankas Bewegungen als bedrohlich betrachtet. Selbst bei einer körperlich schwächeren Frau.
Die Fahrstuhltür ging zu, mit einer schnellen Bewegung hielt Franka Schilling ihre Hand vor den Lichtsensor. Sie schaute sich kurz um. »Ich will ebenfalls nach unten«, sagte sie, und ehe sich Paula versah, stand sie mit Franka im Aufzug. Ihre junge Kollegin stand nun direkt vor ihr.
»Sie wollten wissen, warum ich in Ihre Abteilung wollte.«
Paula blickte in Frankas irritierende Katzenaugen und nickte. Immerhin waren sie jetzt wieder beim ›Sie‹. Paula war entschlossen, es dabei zu belassen. »Sie wollen mir also sagen, warum Sie sich in meine Abteilung haben versetzen lassen.«
Franka nickte. Es schien Paula, als holte die Polizistin kurz Luft. Dann trat sie entschlossen nach vorne und küsste die Hauptkommissarin auf den Mund.
18
Eine Stunde später saß eine hochgradig verwirrte Paula in einem Sülzer Schrebergarten. Es war nicht das Atemgerät und nicht die Unfreundlichkeit ihres Gesprächspartners, die sie aufwühlte. Ihr Herz klopfte, ihre Knie zitterten und ein Blick in den Rückspiegel des Honda hatte sie zuvor überzeugt, dass auch ihre Wangen gerötet waren. Paula war noch nie von einer Frau geküsst worden und sie wusste nicht im mindesten, was sie davon halten sollte. Franka hatte den Fahrstuhl im ersten Stock angehalten und war wortlos ausgestiegen. Sie selbst hatte erst nach fünf Minuten daran gedacht, den Knopf für das Parkdeck zu drücken. Dort hatte sie versucht, einen klaren Gedanken zu fassen. Das war ihr nicht gelungen, also hatte sie sich auf den Weg zu ihrem Gesprächspartner gemacht.
Aus ihren Gedanken erwachte sie erst, als ein LKW-Fahrer – mit dem deutlichen Hinweis ›Hier kommt DIDI‹ hinter der Windschutzscheibe – sie auf dem Militärring wütend anhupte, weil sie statt der vorgeschriebenen 70
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