Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall
darauf hinweisen, dass die Ermittlungstechniken fortschreiten, die entscheidende Frage bei einem Mord jedoch stets die gleiche ist.« Hier machte Scharenberg eine Pause.
Mit spürbar unterdrückter Wut setzte die Tochter des ermordeten Galeristen das Gespräch fort. »Und wie lautet diese Frage?«
»Wem nutzt der Mord? Wer profitiert davon? In den meisten Fällen ist dieser Jemand der Mörder.«
Es fiel Sperber sichtlich schwer, die Fassung zu wahren. Sie wankte, als sie zur Haustür trat und sie aufriss. Auf ihren Wangen sah Scharenberg eine leichte Röte. »Verlassen Sie mein Haus! Sofort!«
Zufrieden grinsend stand der Kommissar ein paar Minuten vor der alten Villa und blickte zu den Fenstern im ersten Stock, hinter deren Vorhängen er die Hausherrin vermutete. Manchmal musste man das Wild ein wenig aufschrecken, bevor man es erlegen konnte.
Paula Wagner jagte gerade ihren Honda Civic über die Frankfurter Straße, als ihr Handy klingelte. Ihre Laune besserte sich keineswegs, als sie die Nummer erkannte. Polizeidirektor Jansen druckste herum, versuchte sich in Small Talk, während Paula ungeduldig, mit den Fingern auf dem Lenkrad trommelnd, vor einer Ampel wartete.
Endlich kam er zur Sache.
»Wir haben die Task Force Science ins Leben gerufen, um die Zusammenarbeit zwischen Polizei und wissenschaftlichen Ermittlern zu verbessern, nicht wahr?«, begann er umständlich. Paula grunzte nur. Was sollte sie dazu sagen? »Natürlich lassen wir Ihnen freie Hand, Frau Hauptkommissarin, wenn es darum geht, die Fälle auszuwählen, die Ihnen Erfolg versprechend erscheinen. In Ihre Ermittlungsmethoden will ich Ihnen im Prinzip gar nicht hineinreden. In keinster Weise!«
Statt zu antworten, gab Paula Wagner Gas und wartete darauf, zu erfahren, was Jansen eigentlich von ihr wollte.
»Was ich allerdings in keinster Weise verstehe: Warum schicken Sie dennoch Ihre Leute zu Ermittlungen hinaus?«
Paula seufzte. »Gelegentlich, Herr Polizeidirektor, gehört selbst für ein wissenschaftsorientiertes Team gute, klassische Laufarbeit zu den unvermeidlichen Übeln unseres Daseins.« Dass sie es bisher vermieden hatte, die Wissenschaft allzu sehr in die Arbeit einzubinden, ließ sie ebenso unerwähnt wie ihre Vermutung, dass die Wissenschaft in Gestalt Brandts das ebenso halten wollte.
»Sie müssen mir nicht erzählen, wie unser Job aussieht, Frau Wagner«, fuhr der Polizeidirektor sie an. »Es ist in jedem Fall nicht vertretbar, dass Ihre Mitarbeiter die Opfer lange zurückliegender Verbrechen auf ungehörigste Weise belästigen und beschuldigen!« Jetzt hatte Jansen also die Wut gepackt. Vielleicht hätte Paula ihm doch nicht erklären sollen, wie Polizeiarbeit funktioniert? »Schon gar nicht, wenn es sich bei dieser Person um eine äußerst respektable und angesehene Frau handelt, die in den höchsten Kreisen dieser Stadt verkehrt und uns allen«, die Stimme des Direktors erreichte nun nie gekannte Höhen, »allergrößten Ärger bereiten kann! Verstehen Sie, was ich meine?«
Paula rätselte, doch sie war klug genug, sich das nicht anmerken zu lassen. Schließlich erklärte Jansen ihr, was geschehen war. »Heute stand einer Ihrer Mitarbeiter vor der Haustür der Familie Sperber in Dellbrück und beschuldigte die Tochter eines Mordopfers, Ehefrau eines Stadtrates und angesehene Society-Lady dieser Stadt, ihren Vater ermordet zu haben! Sind Sie und Ihre Leute noch ganz bei Trost, Wagner?«
Mit jedem Wort des Direktors wuchs ihre eigene Wut. Sie setzte diese jedoch umgehend in steigenden Druck auf das Gaspedal des Hondas um und wäre fast mit einem ausscherenden Kleintransporter zusammengestoßen. Hupend umkurvte sie ihn. Schwellenberg schien am anderen Ende der Leitung kurz zu erschrecken. Trotz seines Zorns wirkte er besorgt. »Alles in Ordnung bei Ihnen?«
»Alles bestens!«, antwortete Paula. »Ich werde umgehend mit meinen Mitarbeitern reden. Das verspreche ich Ihnen!«
Ihre wütende Entschlossenheit beruhigte wiederum den Polizeidirektor. Fast nachgiebig antwortete er. »Tun Sie das. Wir versprechen uns sehr viel von Ihrer Abteilung und solche Vorfälle erschweren uns allen die Arbeit.« Er beendete das Gespräch. Paula konnte ihn nicht mehr fragen, warum er ihr solche Mitarbeiter gegeben hatte, wenn er so große Erwartungen in ihre Abteilung setzte. Stattdessen wendete sie im großen Bogen auf der vierspurigen Straße, erntete ein kleineres Hupkonzert und fuhr umgehend zurück nach Sülz.
Dort angekommen
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