Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall
deutete mit einer Bewegung ihres Kinns auf das Schreiben.
Bergkamp war es gewohnt, dass die Leute bereitwillig Platz machten, wenn er mit einem offiziellen Dokument in der Hand vor deren Augen herumwedelte. »Sie wissen, dass Sie mich hineinlassen müssen, Frau Talbot.«
»Wenn es sich bei diesem Wisch, mit dem Sie da vor meiner Nase herumgefuchtelt haben, um einen Durchsuchungsbefehl handelt, lasse ich Sie selbstverständlich herein. Bevor ich das tue, will ich mir dieses Papier in Ruhe durchlesen. Also geben Sie schon her!«
Bergkamp tat, was die Journalistin wollte. Verena las das Papier in Ruhe durch. Mit den Worten »Da fehlt ein Stempel« gab sie es ihm zurück.
Verwirrt starrte Bergkamp auf den Zettel. »Wo?«
Mit einem perfekt manikürten Finger zeigte Verena auf ein Feld neben der Unterschrift des Richters, der den Durchsuchungsbeschluss mit krakeliger Handschrift unterschrieben hatte. »Da!«
»Aber das spielt doch keine Rolle«, entgegnete der Polizist.
»Kommen Sie einfach wieder, wenn Sie Ihren Stempel haben.« Mit diesen Worten schloss sie die Tür.
»Lassen Sie uns verdammt noch mal rein! Wir haben das Recht, Ihre Wohnung zu betreten!«, brüllte Bergkamp. Verena antwortete nicht einmal. Wütend schlug er gegen die Tür.
Verena öffnete. »Wenn Sie die Tür kaputt machen, wenden Sie sich wegen der Reparatur an unseren Vermieter, Herrn Ökcan. Hier ist seine Nummer.« Ohne ein weiteres Wort reichte sie ihm einen Zettel und schlug die Tür wieder zu.
»Die hat Haare auf den Zähnen, was?«, warf einer der beiden Streifenbeamten ein und erntete einen zornigen Blick Bergkamps.
»Halten Sie die Fresse!« Der Hauptkommissar stürmte an dem Mann vorbei ins Freie. Er würde dieser Journalistin schon zeigen, was eine ordentliche Durchsuchung wäre!
Sein Handyklingeln weckte den Detektiv auf. Bevor die Müdigkeit ihn übermannte, hatte er versucht, sich von den Fesseln zu befreien, sich dabei aber wortwörtlich ins eigene Fleisch geschnitten. Irgendwann war er vor Erschöpfung eingeschlafen.
Bevor er mit dem Stuhl in Richtung des Klingeltons rücken konnte, verstummte dieser. Der Schmerz pochte und brannte in seinem ganzen Körper.
Langsam gewöhnte Marius sich wieder an die Lichtverhältnisse. Der Scheinwerfer war irgendwann mit einem Knall erloschen. Jetzt herrschte morgendliches Halbdunkel. An der hinteren Wand erkannte der Detektiv eine Bühne. Vor ihr lagen seine Kleider auf einem Haufen. Für den Augenblick interessierten ihn eher die Gläser, die hinter einer Bar auf mehreren Regalbrettern standen. Ein paar Scherben würden ihm helfen, seine Fesseln zu durchtrennen. Mühsam robbte er mit dem Stuhl ans Ende der Theke. Eine Stufe beendete seine Mühen. Hier kam er nicht weiter.
Irgendwann würde Paula mit Franka über das Geschehen reden müssen. Es war lediglich ein Kuss, redete sie sich ein. Nur das Gefühl, wieder ein verwirrter Teenager zu sein, ließ nicht locker. Sie erschrak, als sie Frankas schmale Schultern und blonde Stoppeln sah. Die Kommissarin wandte ihr den Rücken zu und starrte in ihr Laptop. Instinktiv sah Paula hinter den anderen Monitor am zweiten Schreibtisch, aber Scharenberg saß nicht dahinter. Sie war mit Franka allein. Ihr Herz klopfte erneut bis zum Hals. Nur ein Kuss, verdammt noch mal!
Franka, die das Geräusch der Tür gehört hatte, drehte sich um. Paula lächelte, nickte ihr zu, murmelte etwas wie »Ach, schon da.« und huschte an ihren Platz.
»Ich wollte ein paar Sachen überprüfen.«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen.«
Zu ihrem Glück trat Scharenberg in diesem Moment ein und mit ihm ein intensiver Geruch nach Seife.
»Störe ich?«
Paula konzentrierte sich auf ihren Bildschirm, doch Franka blickte ihm mitten ins Gesicht. »Nein, du kommst zu spät. Wir hatten eine Frühbesprechung angesetzt. Vergessen?«
Empört blickte der Mann von Franka zu Paula. »Frühbesprechung? Davon hat mir keiner was gesagt.«
»Oh doch«, die Kommissarin unterstrich ihre Aussage mit einem heftigen Nicken, »das haben wir gestern Abend gemeinsam beschlossen.«
»Das kann nicht sein! Ich bin doch nicht doof!«
»Lassen Sie gut sein«, ging Paula schließlich dazwischen. »Alle sind pünktlich. Das ist schon erschreckend genug.«
»Also doch keine Frühbesprechung!« Scharenberg warf seiner Kollegin einen bösen Blick zu, als er sich an den gemeinsamen Schreibtisch setzte. Die Kommissarin grinste.
»Wie auch immer!« Scharenberg ergriff die Initiative.
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