Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall
hinterließ einen Fußabdruck darauf.
»Die wohnen ganz chic, die zwei«, sagte er, als sie wieder im Flur standen.
»Fragt sich, womit ein Privatdetektiv und eine Schmierenjournalistin solche Möbel bezahlen.«
Gefühlte Stunden hatte Marius damit vergeudet, die gefesselten Füße auf die Stufe zur Theke zu stellen, um sich hoch zu hieven. Vergeblich! Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, sich zu drehen und rückwärts fallen zu lassen. Allerdings fürchtete er, nicht mehr hochzukommen, wenn er einmal lag – was seine Situation nicht verbessern würde. Zwischenzeitlich hatte er überlegt, um Hilfe zu rufen. Vermutlich würde ihn niemand hören. Selbst wenn, war er sich nicht sicher, ob er nicht vielleicht Leute anlocken würde, die er hier gar nicht haben wollte.
Ratlos blickte er sich um. Auf der anderen Seite des Raumes war ein Spiegel auf die Wand geleimt worden. Dunkle Blutergüsse zeichneten sich deutlich auf seiner Haut ab. Er sah aus wie eine mittelalterliche Märtyrerfigur. Nackt, gefesselt, blutig. Striemen überzogen die Hämatome.
Der Spiegel aber bot eine Chance. Trotz seiner gefesselten Hände brachte der Detektiv einen Barhocker unter seine Kontrolle, schob sich und ihn in Richtung Spiegel. Dann schlug er den Hocker gegen das Glas. Es bebte kurz, mehr nicht. Marius fluchte.
24
Paula parkte den Wagen auf der Kalker Hauptstraße unweit des Polizeipräsidiums. Franka hatte sich angeboten mitzufahren, Paula aber abgewunken. Sie würde das ohne ihre Hilfe schaffen, hatte sie gesagt. Dabei wollte sie mit Franka nur nicht allein sein. Die Polizistin hatte daraufhin eine Schnute gezogen und war abgerauscht, um sich mit langweiligem Finanzkram zu befassen.
Paula schellte an der Glastür aus den 70er Jahren, vor der hingeworfene Werbeprospekte lagen und ein Pappbecher, aus dem Kaffee auf die Straße lief. Mit dem Fuß kickte sie den Becher vorsichtig beiseite, als der Summer ertönte.
Im zweiten Stock erwartete sie Gerd Bastians. Mochte er früher eine beeindruckende Erscheinung gewesen sein, heute war er das nicht. Sein Gesicht war zugleich aufgedunsen und zerfurcht, die Augen blass, die zu dicken Lippen spröde, das Haar grau und dünn. Bastians trug ein verwaschenes rotes Sweatshirt der Universität zu Köln, von dem Paula vermutete, dass er es aus einem Kleidersack geklaut hatte. Ebenso wie die speckige Jeans, die ihm eindeutig eine Nummer zu klein war. Die einzigen passenden Kleidungsstücke schienen die beiden Plastikbadelatschen zu sein, die er an ungepflegten Füßen trug. Doch seine Instinkte schienen noch zu funktionieren. Bevor sie sich überhaupt vorstellen konnte, begrüßte Bastians sie mit den Worten: »Was will die Polizei von mir?«
»Über Ihren Immobilienbesitz reden«.
Bastians blickte sie verständnislos an und griff neben sich. Unbewusst führte Paula die Hand zu ihrer Pistole, die sie inzwischen fast immer trug. Doch statt nach einer Waffe griff Bastians nach einem Bier, das er neben der Tür auf ein Schränkchen gestellt hatte, und trank einen großen Schluck. Paula drängte sich einen Schritt nach vorne, um einen Blick in die Wohnung zu werfen. Sie sah nichts – außer leeren Bierflaschen und Dreck.
»Darf ich vielleicht reinkommen?« Wollte sie das wirklich? Hinein in diesen Schmutz, dessen Gestank nach schalem Bier, muffigem Staub und menschlichen Exkrementen sich langsam auf dem Flur breitmachte, je länger die Wohnungstür offen stand?
Bevor Bastians sie hineinbitten konnte, hörte sie hinter sich ein Räuspern. Die Hauptkommissarin drehte sich um und blickte einer Frau ihren Alters ins Gesicht, deren drahtige schwarze Haare zu einem Zopf geflochten waren und die eine ebenso schwarze Aktentasche in der Hand hielt.
»Hallo, Frau Klinken«, lallte Bastians, »ich hab’ Besuch.«
»Das sehe ich.« Die Stimme der Frau klang nüchtern und geschäftsmäßig. Sie hielt Paula die Hand entgegen und stellte sich vor. »Marie Klinken. Ich bin die gesetzliche Betreuerin von Herrn Bastians. Sie sind Hauptkommissarin Wagner nehme ich an?«
Paula nahm die kalte, trockene Hand und nickte. »Kennen wir uns?«
»Eine Ihrer Mitarbeiterinnen war eben bei mir und hat sich nach Herrn Bastians erkundigt. Da dachte ich mir, dass ich besser einmal vorbeischaue, bevor die Polizei den Zustand meines Klienten ausnutzt.«
»Ich hatte nicht die Absicht, irgendwen auszunutzen.«
»Das freut mich zu hören. Also haben Sie sicherlich kein Problem damit, das Gespräch mit mir
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