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Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall

Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall

Titel: Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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viel für Zeitungen geschrieben.«
    Mit der linken Hand wehrte Wallenstein die Bemerkung ab, seine rechte blieb in einer seltsam steifen Haltung auf dem Tisch liegen. »Damals war ich naiv! Ich habe geglaubt, wenn ich für die Zeitung, für die Massen schreibe, könnte ich ein Interesse an Kunst wecken und Wissen über die Kunst in die Köpfe tragen. Als wäre es möglich, mit ein paar Zeitungsartikeln den Leuten zu erklären, warum Fluxus bedeutend ist und warum ein einfarbiges Gemälde eines Yves Klein Kunst ist! Aber das wollen die Leute gar nicht wissen. Nicht einmal die, die sich von Berufs wegen mit Kunst beschäftigen. Es geht immer um Personen, nie um die Kunst! Der Künstler ist wichtig, sein Werk eher hinderlich. Eine Schande!«
    »Also haben Sie aufgehört, für die Medien zu arbeiten?«
    Der Professor nickte. »Ich habe mich ganz auf die Wissenschaft konzentriert. Hier«, Wallenstein umschrieb mit der linken Hand einen Halbkreis, mit dem er die Bücher um ihn herum umfasste, »habe ich alles, was ich brauche. Hier ist alles, was Bedeutung hat.«
    Marius ließ den Blick über die Regale und die Buchrücken schweifen. Dann nahm er eine Kopie des Artikels, den er im Pressearchiv gefunden hatte, und legte sie vor sich auf den Schreibtisch. »Diesen Artikel haben Sie damals geschrieben?« Wallenstein hielt sich das Papier unter die Nase, während Marius weitersprach. »Ein Artikel u ̈ ber eine Fotoausstellung 1980 am Rande der Art Cologne. In der Galerie Sperber. Sie zeigte Bilder mehrerer junger deutscher Fotografen, die damals nach Ihrer Einschätzung durchaus vielversprechend waren.«
    »Ich erinnere mich! Eine schöne Ausstellung, wirklich. Vom theoretischen Hintergrund gesehen nichtssagend, aber teilweise eine starke, sehr archaische Bildersprache. Großartig!«
    Marius nahm das Chargesheimer-Bild aus der Tasche und legte es neben den Zeitungsausschnitt. »Fällt Ihnen etwas auf?«
    Der Alte nahm beide Blätter nacheinander in die Hand. Schließlich erhob er zitternd die rechte Hand, um die beiden Bilder nebeneinander halten zu können. Es gelang ihm nicht. Marius vermutete, dass Wallenstein unter den Folgen eines Schlaganfalls litt. Der Professor legte Artikel und Foto auf den Tisch und beugte sich tief nach unten, um sie betrachten zu können. »Faszinierend! Man braucht einen Moment, bis man es erkennt, aber es ist wirklich beeindruckend. Zwischen den Fotos müssten mehr als 20 Jahre liegen, dennoch ist die Ähnlichkeit verblüffend.«
    »Es ist derselbe Mann: Siegfried Baumgart. Ein Junge, der in ›Unter Krahnenbäumen‹ fotografiert wurde, taucht auf einer Fotoausstellung von 1980 wieder auf.«
    »Erstaunlich!«
    »Wissen Sie, was er auf der Ausstellung gemacht hat?«
    Zu Marius’ Überraschung erinnerte sich Wallenstein sofort. »Er war Begleiter einer der Fotografinnen. Sie trat während der gesamten Ausstellung und auf der ganzen Art Cologne nie auf, ohne dass er in ihrer Nähe gewesen wäre.«
    »Ihr Liebhaber?«
    Der Professor zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Er trat eher wie eine Art Leibwächter auf. Man munkelte, dass das Mädel das alles inszeniert hatte, um sich interessant zu machen.«
    »Sie schien den Kunstbetrieb schnell durchschaut zu haben.«
    »Das können Sie laut sagen. Leider! Ihre Arbeiten waren nämlich ziemlich gut. Warten Sie einen Moment!« Wallenstein stand auf, nahm einen Stock und ging langsam zu einem Regalschrank hinter dem Schreibtisch. Zuerst musste er ein Rollo hochfahren, dahinter erschienen sorgfältig beschriftete Ablagen, in denen er schnell blätterte, bevor er schließlich mit einem Stapel Fotos zurückkam. »Hier! Schauen Sie! Das sind die Bilder, die der Fotograf damals auf der Ausstellung gemacht hat. Diese drei Fotografien stammten von dem Mädchen, das mit diesem Mann unterwegs war.« Er zeigte auf drei Bilder, die an eine weiße Wand gepinnt waren. Marius nahm das Foto.
    »Vermutlich waren die Bilder schwarz-weiß?«
    »Natürlich! Farbe war in der künstlerischen Fotografie verpönt. Wer auf sich hielt, fotografierte schwarz-weiß.«
    Der Detektiv betrachtete die drei Fotos. Es waren Straßenszenen, die auf den ersten Blick an Chargesheimer erinnerten. Kleine Straßen mit heruntergekommenen Wiederaufbauten aus den 50er Jahren, manche Baulücken noch nicht geschlossen. Anders als auf den Bildern Chargesheimers parkten hier deutlich mehr Autos am Straßenrand und die Menschen auf den Bildern verhielten sich anders. Marius brauchte nicht

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