Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall
nur gespielt. Ihre Bilder hatten Marius überzeugt, dass Kay Cash das Milieu kannte. Auf den Fotos war nichts von dem Misstrauen zu erkennen, mit dem jede Form von Unterwelt normalerweise auf Fotografen reagierte. So hatte sich Chargesheimer jahrelang ›Unter Krahnenbäumen‹ herumgetrieben, bis er genügend Vertrauen aufgebaut hatte, damit die Menschen sich von ihm fotografieren ließen. Bei seinem Projekt ging es um die Beobachtung des Alltäglichen. Bei Kay Cash hingegen ging es um Prostitution. Nicht einmal beim Gespräch mit Freiern hatten sich die Mädchen an Kays Fotoapparat gestört. Die Kunden, hinter deren Rücken Kay fotografiert hatte, hatten vermutlich gar nichts davon bemerkt. Mit einem Mal wusste er, wen er nach Kathrin Münzenberg fragen musste. Das Problem war: Die Dame wusste mit Sicherheit, dass Marius gesucht wurde.
30
1965
Es war so leicht. Mit breitem Grinsen sahen die drei Zuhälter zu, wie sich der Mann auf der anderen Seite des Spiegels auf dem Mädchen abmühte. Gelegentlich drückte einer von ihnen auf den Auslöser der Kamera, die sie zwischen sich aufgebaut hatten. Schweißperlen standen ihnen auf der Stirn, ausgelöst eher von der sommerlichen Hitze, weniger von dem erotischen Schauspiel vor ihnen.
Mit einem halben Dutzend eigener Männer war Kriminalrat Werner Haas vor sechs Wochen von Düsseldorf südwärts nach Köln versetzt worden, um im Milieu richtig aufzuräumen. Zu gerne hätten sie ihn selber auf dem Bett vor ihnen gesehen. Leider erwies sich der Kriminalrat als resistent gegen jedwede Verlockungen. Doch als Siggi Baumgart Haas’ persönlichen Assistenten gesehen hatte, wussten sie, was zu tun war. Das hier war Siggis ganz persönlicher Triumph. Es schmerzte ihn nicht ihm geringsten, dabei zuzusehen, wie Adolf Heimering auf Barbara herumritt.
Helm hatte anfangs ein jüngeres Mädchen vorgeschlagen. Barbara war schließlich schon eine Weile dabei, auf Siggis ganz persönliches Betreiben hin. Schließlich hatte er nachgegeben. Außerdem, hatte Siggi überzeugend erklärt, wäre es leichter, wenn sie Barbara auf Heimering ansetzen würden. „Der ist damals bei ihr abgeblitzt. Kerle wie den wurmt das. Glaub mir!«
Der Polizist kam schließlich lautstark, dankenswerter Weise betrachtete er sich dabei gerne im Spiegel.
»Heilige Scheiße! Wir hätten ein Tonband mitlaufen lassen sollen«, kommentierte Pit bewundernd.
»Pscht!«, zischten seine beiden Kumpane.
»Der Hirsch hört uns eh nicht!«
Siggi sah weiter gebannt zu. Nachdem Heimering fertig war, konnte Barbara nicht schnell genug ihre Kleider zusammensuchen, sich anziehen und verschwinden. Sie richtete sich im Spiegel kurz die Frisur. Siggi schien es, als blickte sie ihm direkt in die Augen. Verachtung lag in ihrem Blick. Ihm war das egal. Er gab Pit ein Zeichen, der leise die kleine Kammer verließ, um Barbara die versprochenen 200 Mark in die Hand zu drücken. Münzenberg montierte den Fotoapparat ab. Sie warteten, bis Heimering das Zimmer verließ und folgten ihm leise, ihr Lachen verschluckend, ins Freie.
Drei Tage später schlenderte ein sichtlich zufriedener Siggi Baumgart den Gereonswall hinunter zum alten Gefängnis, dem Klingelpütz, der in Kürze abgerissen werden und durch ein modernes Gefängnis draußen in Ossendorf ersetzt werden sollte. Als Kind hatte er sich immer unwillkürlich geduckt, wenn er an den düsteren Mauern mit den kleinen, vergitterten Fenstern vorbeilief.
Eine junge Frau stand auf dem Bürgersteig gegenüber, den Kopf nach oben gereckt.
»Ich hatte nix mit dem Felix! Bärchen, das musste mir glauben!«
Aus einem der Fenster schallten Flüche zurück.
»Wir haben getanzt. Hättste dem wirklich nicht die Nase für brechen müssen!«
Ein neuer Schwall Flüche.
»Bärchen! Sei doch wieder lieb!«
Neben einem weißen Opel Kadett blieb Siggi stehen, zog einen braunen Umschlag aus der Tasche seines Jacketts und klemmte es hinter den Scheibenwischer. Anschließend verzog er sich unter einen Bogen der Gereonsmühle, dem alten Halbturm der Stadtmauer, und zündete sich eine Zigarette an. Es dauerte eine Viertelstunde, bis Heimering mit einem Kollegen plaudernd die Straße entlang kam. Vermutlich besprachen sie ein Verhör, das sie eben im Gefängnis geführt hatten. Am Kadett entdeckte der Polizist den Umschlag und nahm ihn unter dem Scheibenwischer weg.
Mit gespannter Neugier sah Siggi zu, wie Heimering ihn öffnete und hineinschaute. Sein Kollege, der ursprünglich an der
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