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Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall

Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall

Titel: Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Keller
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Irritiert schaute Marius zu den beiden herüber, die verlegen nebeneinander standen, als wüssten sie nicht recht, was sie mit der Existenz des anderen anfangen sollten.
    »Was nun?«, fragte der Detektiv.
    »Wir gehen zu mir. Da können wir einige Fragen besser klären als hier. Ich wohne gleich gegenüber, ein paar Minuten weg.«
    Marius bedauerte es, den kleinen Park verlassen zu müssen. Selbst wenn die Ähnlichkeit mit Vinzenz und dem Chargesheimer-Foto unverkennbar war, Baumgart mit mühsamen Schritten gehen zu sehen, macht es fast unmöglich, ihn sich jünger vorzustellen. Vinzenz ging ein Stück hinter seinem Vater und schwieg. Der Detektiv sah ebenfalls keinen Anlass zu reden. Baumgart würde sprechen, wenn sie in der Wohnung waren. Warum ihn drängen?
    Tatsächlich erreichten sie Baumgarts Wohnung nach wenigen Minuten. Der alte Mann stieg vor ihnen die enge, steile Holztreppe hinauf und führte sie in ein kleines 1-Zimmer-Appartement. Sah man von einer winzigen Küchenzeile ab, waren alle Wände mit Regalen verbaut, auf denen vornehmlich Kunstbücher die Böden leicht durchbeugten. Neugierig studierte der Detektiv die Buchrücken.
    »Sie haben einige sehr schöne Bildbände«, sagte er.
    Baumgart, der mit geübten Handgriffen das Bettzeug vom Schlafsofa raffte und in einer Kiste unter dem Möbel verstaute, blickte auf. »Danke. Kennen Sie sich aus?«
    »Ich habe ein paar Semester Kunstgeschichte studiert.«
    »Ein schönes Studium. Sie sollten was daraus machen.«
    Der Detektiv zuckte verlegen mit den Achseln. »Ich bin im Moment ganz glücklich, danke.«
    »Sind Sie das?«
    Marius fu ̈ hlte sich von dem fru ̈ heren Schläger ertappt. Er beschloss, das Thema zu wechseln.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ein ehemaliger Kölner Schläger und Leibwächter taucht als Küster in Belgien auf und gibt sich als kunstsinniger Psychologe. Scheint mir eine interessante Geschichte dahinterzustecken.«
    Nun war es an Baumgart, mit den Achseln zu zucken. »So ist das Leben«, sagte er. »Warten Sie! Ich zeige Ihnen etwas.« Mit seinen krummen Schritten ging der Küster hinüber zu einem der Regale und zog eine abgewetzte Pappmappe hervor, deren Ränder von häufigen Berührungen fleckig waren. Er klappte sie auf dem kleinen Sofatisch aus, die beiden jüngeren Männer nahmen Platz. Aus der Mappe fielen ihnen einige Fotos entgegen, kleinere Aufnahmen, Erinnerungsstücke. Marius’ geübtes Auge machte Abzüge einiger großformatiger Bilder aus, die Baumgart ihnen vorenthielt. Stattdessen breitete er die kleinen Fotos auf dem Tisch aus. Alle zeigten Kathrin Münzenberg, auf manchen waren er oder andere Leute an ihrer Seite. Auffällig waren die Unterschiede zwischen den Bildern, die die beiden in größere Runde zeigten und den privateren Fotos, auf denen sie allein waren. Auf letzteren war selbst nach dreißig Jahren eine Wärme und Zärtlichkeit zu spüren, die Marius schmerzlich daran erinnerte, was ihm in seiner eigenen Beziehung fehlte. Die ›offiziellen‹ Bilder zeigten das Paar distanzierter, zwei Bekannte, die wie zufällig nebeneinander saßen. Wer mehr wusste, sah die wachsamen Blicke Baumgarts, die die Umgebung im Auge behielten. Wie das ein guter Leibwächter eben tat. Immer schien er irgendetwas außerhalb des Bildes zu beobachten. Nie sah er Kathrin an, die meist mit jemand anderem sprach oder scherzte.
    »Das ist Kathrin.« Er deutete mit seinen mageren Fingern mit den hervorstehenden Gelenken auf das Mädchen. »Deine Mutter«, sprach er an Vinzenz gewandt. Der jedoch konnte keine Verbindung aufbauen zu der Frau auf den Bildern, das sah Marius ihm an. Achtlos legte er sie beiseite, mit kaum mehr als einem höflichen Nicken.
    »Erzählen Sie uns über Kathrin Münzenberg! Wie war sie?«
    Baumgart starrte ihn verständnislos an. »Sieht man das nicht?«
    Marius konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Was ist geschehen, als sie verschwunden ist?«

45
     
    1980
     
    Siggi stand abseits und beobachtete interessiert das Geschehen, sofern er die Augen von Kathrin Münzenberg lassen konnte. Die Tochter seines Chefs posierte in einem gewagten asymmetrischen Top und eng anliegender Hose mit hochtoupierten blonden Haaren vor ihren Fotos. Ganz in Schwarz war sie der Star des Abends. Zum Leidwesen der anderen ausstellenden Künstler und wohl nicht ganz im Sinne des Galeristen Sperber, der seinen eigenen Künstlern mehr Aufmerksamkeit gewünscht hätte. Die standen am Rand, hielten sich an ihren Weingläsern

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