Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall
Heimleiter.«
»Soll schön sein da«, sagte Margarethe.
»Er hat uns alle drei vergewaltigt«, erwiderte Vinzenz.
42
Paula war überzeugt, dass Helm Münzenberg die Hausbesitzer rund um die Friesenstraße gezwungen hatte, an ihn zu verkaufen. Die meisten Häuser hatte er anschließend mit sattem Gewinn an den Gerling weiterverkauft. Ein paar Filetstückchen waren im Familienbesitz geblieben und bildeten das Herzstück der Immobilienfirma, die sein Sohn heute führte.
Ihre beiden Mitarbeiter blickten sie an, als sie ihren Vortrag darüber beendet hatte. Keiner zweifelte, dass Paula recht hatte. »Nur: Das alles hilft uns nicht, wenn wir keinen Zusammenhang zum Mord an Sperber herstellen können«, wandte Franka ein.
»Und wie zum Teufel passt der Mord an Kollege Heck da rein? Haben die überhaupt miteinander zu tun?«
»Der Tathergang legt das nahe. Beide wurden erstochen, beide hatten auf irgendeine Weise mit dem Rotlichtmilieu und Münzenberg zu tun«, antwortete Paula.
»Die einzige Verbindung ist Bastians. War er es? Der gleiche Mörder, unterschiedliche Motive?«, schlug Franka vor.
»So etwas in der Art«, stimmte Paula ihr zu.
»Aber wir müssen es beweisen.«
»Es gibt noch eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Fällen«, sagte Paula schließlich.
»Die wäre?« Scharenberg hob skeptisch eine Augenbraue.
»Der ermittelnde Beamte«, antwortete Paula. »Heimering.«
»Sollen wir ihn noch einmal befragen?«
»Er wird nicht reden«, antwortete Paula.
»Wenn wir ihn unter Druck setzen, vielleicht doch«, erwiderte Scharenberg.
Paula verneinte. »Den Mann können Sie nicht unter Druck setzen. Der ist so gut wie tot.«
»Wenn wir die Spuren von beiden Taten noch einmal untersuchen lassen, könnten wir bei Übereinstimmung zumindest beweisen, dass es sich um ein und denselben Täter gehandelt hat. Sie müssten allerdings dafür über Ihren Schatten springen, Hauptkommissarin Wagner … «
»… und mal wieder Doktor Brandt um Hilfe bitten.«
43
Sich von Margarethe Klösgens Boutique auf direktem Wege an die belgische Küste aufzumachen, bot Marius eine ganze Reihe von Vorteilen. Er verschwand ebenso aus dem Blickfeld der Kölner Polizei als auch aus dem von Münzenbergs Schlägern. Nicht zuletzt bestand die Chance, Siggi Baumgart zu finden und seinen Auftrag zu Ende zu bringen. Mit welchen Konsequenzen auch immer. Dass die Chance vage war, war ihm klar. Aber alles erschien besser, als in der Rheinmetropole weiter in der Vergangenheit Kölner Luden zu wu ̈ hlen, während er gleichzeitig vor der Polizei gesucht wurde.
Einen Nachteil allerdings brachte die nächtliche Fahrt über die regennasse Autobahn mit sich. Dieser Nachteil saß neben Marius auf dem Beifahrersitz und hielt eine Plastiktüte auf dem Schoß.
»Was zum Teufel ist eigentlich in dieser Tüte drin?«
»Das geht Sie nichts an.«
Das waren die einzigen Sätze, die sie in den fast vier Stunden Fahrt gewechselt hatten. Kurz hinter Brügge hatte Marius an einem kleinen Bahnhof gehalten und unter Vinzenz’ Protest ein Nickerchen gemacht. Es würde ihnen leichter fallen, Siggi Baumgart nach ein wenig Schlaf zu finden. Zudem war um vier Uhr morgens kaum jemand auf der Straße, den man fragen konnte. Gelegentlich wachte Marius kurz auf und beobachtete seinen Klienten, der ruhelos die Gleise auf und ab ging. Er konnte ihn verstehen. Vielleicht war er seinem lange gesuchten Vater hier so nahe wie noch nie in seinem Leben. Er hätte an Vinzenz’ Stelle ebenfalls nicht schlafen können.
Ein fahles, graues Morgenlicht weckte den Detektiv. Er brauchte einige Sekunden, um sich darüber klar zu werden, wo er war. Als er ausstieg, schmerzte sein ganzer Körper. Doch die Ursache waren nicht mehr so sehr die Blutergüsse, sondern die gekrümmte Haltung, in der er die letzten Stunden auf dem Fahrersitz des MG gelegen hatte. Draußen streckte er sich. Es war kalt und nieselte leicht. Dennoch machte er neben dem kleinen Sportwagen ein paar Dehnübungen und suchte eines der Wartehäuschen an den Gleisen auf. Vinzenz entdeckte er ein Häuschen weiter. Er hockte auf dem Boden, den Kopf auf die Knie gesenkt, die Tüte neben sich. Ein paar Frühaufsteher beobachteten neugierig, wie der Detektiv Klimmzüge am Dach des Häuschens machte. Die Dachkante schnitt leicht in sein Fleisch. Er hielt den Schmerz aus. Die Übung machte wach und erfu ̈ llte ihren Zweck. Eine Viertelstunde später ging er zu Vinzenz und rüttelte leicht an seiner Schulter.
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