Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
in den Verdächtigenkreis aufnehmen.«
»Zunächst einmal will ich nur ein
paar weitere Fragen stellen. Vielleicht ergibt sich eine neue Spur?« Sie wusste,
dass das ein Versuch war, den Hauptkommissar zu beruhigen und die Geschichte kleiner
aussehen zu lassen. Ja, sie wollte weiterbohren. Paula stand auf. Der Stuhl kratzte
über den alten Kachelboden.
»Was ist los mit dir?«, fragte der
Hauptkommissar. »Erst diese komische Sache mit Brandt, über die du nicht reden willst,
dann dein Abgang im Treuen Husar, jetzt diese Geschichte. Macht dir die Einsamkeit
zu schaffen?«
Die alte Glastür des Cafés klapperte
noch eine Weile, nachdem Paula sie hinter sich zugeworfen hatte.
Paula Wagner wollte gerade den Motor starten. Auch wenn es nur ein
paar Gehminuten zum Präsidium waren, sie bevorzugte den Wagen. Grundsätzlich hielt
sie jede Strecke, die länger als ihr Auto war, für zu weit für einen Fußweg. Ihr
Mobiltelefon klingelte, sie fluchte. Trotzig startete sie den Motor, wahrscheinlich
war es Bergkamp. Sollte er doch warten. Das Handy verstummte, bimmelte kurz darauf
erneut. Genervt kramte sie in ihrer Tasche und widmete deren Übergröße den nächsten
Fluch. Als sie das Telefon fand, verstummte es. Sie schaute auf die angezeigte Nummer:
Marius Sandmann. Der nervende Detektiv konnte ihren Tag nicht mehr schlimmer machen.
Sie drückte auf die Anruftaste, Sandmann meldete sich leicht keuchend nach dem zweiten
Schellen.
»Wobei störe ich Sie, Sandmann?«
»Work-out. 80 Liegestütze.«
»Sie sind wahnsinnig.«
»Vermutlich.«
»Und zwischendrin telefonieren Sie?«
»Ich habe mir ein Headset zugelegt.
15 Euro bei einem Technikhändler hier um die Ecke. Wunderbares Gerät.«
»Sie machen gerade jetzt Ihre Liegestütze?«
»Ja.«
»Und wenn Sie aus der Puste kommen
und schwer atmen, darf ich Sie wegen sexueller Belästigung anzeigen?«
»Ich komme nicht aus der Puste.«
Arroganter Sack. »Gut. Was verschafft
mir dann die Ehre, an Ihrem Sportprogramm teilzuhaben?«
»Sie waren die erste Polizistin,
die am 11. November im Treuen Husar war.«
»Ich war zusammen mit meinem Chef
als erste Kriminalbeamtin am Tatort. Und weiter?« Vielleicht würde das Gespräch
interessanter werden als gedacht.
»Müssen Sie jede Frage mit einer
Gegenfrage beantworten?«
»Berufskrankheit. Antworten Sie
einfach.«
»Wie war Ihr Eindruck vom Tatort?«
Diese Frage hatte die Kommissarin
sich in den letzten Tagen oft gestellt. Es gab zwei Antworten darauf. Eine war sie
bereit, dem Detektiv preiszugeben.
»Das Schlimmste, was ich in meinem
Leben gesehen habe.«
Der Detektiv zögerte. Paula hörte
seine ruhigen regelmäßigen Atemzüge und stellte sich vor, wie er auf dem Boden lag
und sich sein ganzer Körper im Rhythmus des Atems auf und ab bewegte.
»Das kann ich mir vorstellen.«
Nein, kannst du nicht, wollte sie
antworten, niemand, der nicht da war, kann sich das vorstellen. Doch stattdessen
sagte sie, so ruhig sie konnte: »Warum wollen Sie das alles wissen?«
»Ich arbeite an diesem Fall.«
»Sie tun was?« Paula Wagner verschluckte
sich fast bei ihrer Antwort. Für wen hielt der Kerl sich?
»Kann ich offen sprechen?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen.
Sie wollen etwas von mir.« Der Mann am anderen Ende der Leitung überlegte kurz.
»Sie haben recht. Die Eltern des
Attentäters Ali Ökçan haben mich beauftragt. Sie glauben nicht daran, dass ihr Sohn
diesen Anschlag verübt hat.«
»Eltern glauben so etwas nie.«
»Ich weiß. Ich glaube es inzwischen
auch nicht mehr.«
Marius Sandmann gab der Kommissarin
einen kurzen Abriss seiner bisherigen Ermittlungen und Erkenntnisse. Paula Wagner
änderte ihr Fahrtziel, und anstatt das Präsidium in Kalk anzusteuern, schellte sie
kurze Zeit später an der Tür des Detektivbüros. Neben dem Hauseingang glänzte ein
ziemlich neu aussehendes Schild ›Marius Sandmann – Privatdetektiv‹. Sie ging zügig
die zwei Etagen hoch, Sandmann erwartete sie bereits an der Bürotür. Er trug eine
schwarze Sporthose und ein ärmelloses T-Shirt. Und keine Schuhe, wie Paula Wagner
am Rande bemerkte. Aber sie war bereits zu fokussiert darauf, genauer zu erfahren,
was der Detektiv herausgefunden hatte. Das Gespräch war einfach zu interessant gewesen.
Was sie als nächstes vorhatte, war schlicht und ergreifend illegal.
Dies war keine eigenmächtige Aktion, kein Bezirzen eines jungen Forensikers oder
unangenehme Fragen für ein paar Kollegen. Dies war eine andere Kategorie und
Weitere Kostenlose Bücher