Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
anderen Fahrzeugen.
Gemeinsam gingen Bergkamp und sie
fröstelnd zum Ufer hinunter, wo ein paar Streifenbeamte den Tatort trotz fehlender
Schaulustiger vorschriftsgemäß sicherten und die Mitglieder der Spurensicherung
und der Rechtsmediziner Volker Brandt bereits ihrer Arbeit nachgingen. Ein greller
Scheinwerfer beleuchtete die Szenerie und ließ alles im Umkreis in tiefstem Schwarz
versinken. Die Overalls der Spusi reflektierten das Licht, in der Mitte auf dem
hellen Sand konnte Paula die Umrisse eines Menschen ausmachen. Er lag auf dem Bauch,
trug Jeans und einen schwarzen Pullover, das Gesicht war in dem erstaunlich feinen
Sand vergraben, den Paula eher an einem Urlaubsstrand am Mittelmeer erwartet hätte.
Sie fragte sich kurz, ob die Stadt diese Sandbänke vor Jahren einmal künstlich angelegt
hatte. Volker Brandt hockte gemeinsam mit einem Techniker neben dem regungslosen
Körper. Er blickte zu den beiden Kriminalbeamten hoch, nickte Hannes Bergkamp kurz
zu und ignorierte Paula Wagner.
»Wir wären dann soweit«, sagte er.
»Dann zeigt uns mal, was ihr habt«,
forderte Bergkamp. Brandt drehte gemeinsam mit dem Techniker den Leichnam auf den
Rücken. Paula blickte in ein junges, männliches Gesicht. Sie schätzte den Toten
auf ungefähr 18 Jahre. Wäre sein Gesicht nicht durch einige Abschürfungen und Hämatome
gezeichnet gewesen, hätte man glauben können, der Junge wäre hier am Rhein eingeschlafen.
»Erstaunlich unversehrt für eine
Wasserleiche«, sagte Bergkamp, die Wunden im Gesicht ignorierend.
»Hat sich gut gehalten, der Junge«,
bestätigte Brandt.
Letztlich musste Paula Wagner ihren
Kollegen recht geben. Wasserleichen boten normalerweise einen weitaus unschöneren
Anblick.
»Ist er ertrunken?«, fragte sie.
Volker Brandt blickte Hannes Bergkamp
an, als er antwortete. »Das weiß ich, wenn ich ihn untersucht habe. Jedenfalls ist
er nicht allzu lange im Wasser getrieben.« Mit den in Plastikhandschuhen bekleideten
Fingern tastete der Rechtsmediziner eine der Wunden im Gesicht des Jungen ab.
»Weit gekommen ist er jedenfalls
nicht. Die Treibspuren sind fast zu vernachlässigen.«
»Sind das denn Treibspuren, die
er da im Gesicht hat?«, wollte Paula wissen.
»Auch das kann ich erst sagen, wenn
ich ihn untersucht habe«, sagte Brandt zu Bergkamp. Paula hatte genug. Sie drehte
sich um und ging. Am Rande des Lichtkegels hatte sie einen älteren Mann entdeckt,
der einen kleinen, unruhig hin und her trippelnden Fox Terrier an der Leine hielt.
Sie stapfte durch den nassen Sand zu ihm hinüber. Auf dem Weg schüttete sie sich
aus einer Thermoskanne, die einer der Techniker in den Sand gestellt hatte, Kaffee
in zwei Plastikbecher. Einen davon reichte sie dem Mann. Aus dem anderen trank sie
selber und bereute es fast augenblicklich, dem Hundebesitzer dieses Getränk angeboten
zu haben.
»Besseren hab’ ich gerade nicht.
Tut mir leid«, sagte sie.
»Ich habe 40 Jahre Bürokaffee hinter
mir. Da gewöhnt man sich an manches.«
»Sie haben den Toten gefunden?«
»Nicht direkt, ich hatte eigentlich
gedacht, da läge jemand und würde seinen Rausch ausschlafen. War ja der 11.11. gestern.«
Der Mann hielt kurz inne. »Also, trotz allem, wegen des Anschlags und so. Schlimme
Sache.«
Paula Wagner ging nicht weiter auf
die Betroffenheit des Mannes ein. Sie war nicht hier, um über den gestrigen Abend
zu reden. Vielmehr hoffte sie, etwas zu finden, was sie davon ablenken könnte.
»Was meinen Sie damit, dass Sie
ihn nicht direkt gefunden haben?«
»Also, ich hätte ihn einfach liegen
gelassen. Aber …«
Am Ufer waren Brandt und die Spurensicherung
weiterhin mit dem Leichnam beschäftigt. Einer der Männer im weißen Overall hielt
die Hand des Toten in die Höhe. Der Wind trieb die Stimmen der Männer bis zu ihnen
herüber.
»War das ein Fisch?«
»Kein Fisch beißt so kräftig zu«,
antwortete Volker Brandt.
Paula Wagner blickte den Mann an
und beide betrachteten dann den Hund, der immer noch aufgeregt hin und her trippelte.
Paula Wagner kannte diese Unruhe. Sie selbst war nicht frei davon, wenn sie versuchte,
einen Fall zu lösen. Sie verstand den Terrier und sein Jagdfieber nur allzu gut.
4
Marius Sandmann stand das erste Mal seit zehn Jahren wieder in einer
Schulturnhalle und stellte fest, dass sie überall gleich aussahen, einfach verputzte
und gestrichene Wände, heller Holzboden mit Markierungen für die Spielfelder unterschiedlicher
Sportarten, zwei kleine Türen zu den Umkleidekabinen,
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