König 01 - Königsmörder
Miene küsste Jarralt abermals seinen heiligen Ring. »Dann soll Barls Wille geschehen. Und danke für Eure Unterstützung.« »Ich sehe nicht, dass ich eine Wahl hätte, Conroyd«, flüsterte Holze. »Auch wenn ich befürchte, dass wir damit zwei Herzen werden brechen müssen.« Er stand auf. »Besser zwei Herzen als ein ganzes Königreich, Efrim. Ruft Euch das ins Gedächtnis, wenn Euer Gewissen Euch plagt.« Er rückte seinen Mantel und sein Halstuch zurecht. »Ich werde jetzt in die Krankenstube gehen. Mit Durm sprechen und mir ein Bild von seiner Verfassung machen. Danach werden wir weiterreden. Einverstanden?«
Holze nickte widerstrebend. »Einverstanden.«
Morg trieb unter der Oberfläche des Bewusstseins dahin wie eine Fliege, die in Honig ertrank. Der verdammte Nix und seine verdammten Tränke, die ihn einmal mehr in hilflose Ohnmacht gestürzt hatten. Irgendwo war Zorn. Und Verzweiflung. Und Durm. Nur noch vernunftlos plappernd, hatte sich die Kraft seiner Persönlichkeit in einen dünnen Schatten verwandelt, eine bloße An– deutung seines früheren Ichs. Wie sehr er sich danach sehnte, den fetten Narren sterben zu lassen… aber das Risiko war zu groß. Körper und Seele waren noch immer aneinander gefesselt, und wenn die Verbindung durchbrochen wurde, bestand eine geringe Chance, dass der Kadaver seinen unwillkommenen Mitbewohner in den Äther erbrechen würde, in den Tod.
Es war ein Risiko, das einzugehen er nicht bereit war.
Er hörte – spürte –, wie die Tür zu seinem Gemach, seinem Gefängnis, geöffnet wurde. Schritte. Stimmen. Die Tür wurde wieder geschlossen. Er versuchte, Durms Augen zu öffnen, mühte sich, das von Drogen betäubte Fleisch, das ihn fester umschlang als der Körper einer Jungfrau, seinem geschwächten Willen zu unterwerfen. Das Fleisch trotzte ihm einmal mehr.
»Dort, Mylord. Seht Ihr?« Der Pother. Er klang verärgert. Gekränkt. »Wie ich Euch berichtet habe, schläft der Meistermagier noch. Er kann nicht mit Euch sprechen!« Ein boshafter Mann, dieser Nix, überquellend von widerwärtiger Kräuterkunde. Ein Mann, der sich überall einmischte, der in alles seine Nase stecken musste. Es würde bald ein Tag kommen, da Pother Nix an seinen eigenen Heilkräutern ersticken würde.
»Ich entschuldige mich, Nix, wenn ich den Eindruck erweckt habe, als wolle ich Eure Fähigkeiten oder Eure Ehrlichkeit in Zweifel ziehen.« Und das war Conroyd Jarralt. Blut beschwor die Erinnerung von Blut herauf. Echos uralter Familienbande. Hoffnung regte sich. Das Erblühen einer keimenden Idee…
»Wenn es so wichtig ist, dass Ihr Euch mit ihm beratet, Mylord, kann ich ihn, wenn er aufwacht, vielleicht fragen, ob…«
»Guter Mann«, sagte der kleine Lord Jarralt. »Darf ich offen sein? Wobei ich natürlich auf Eure Verschwiegenheit vertraue?«
»Ihr dürft, Mylord.«
»Euer Wort als Pother darauf?«
»Gewiss!«
Ein Seufzen. Dann: »Für jene von uns, deren Angelegenheit es ist, um dergleichen Dinge zu wissen, Nix, ist es kein Geheimnis, dass Durms Verletzungen schwerwiegend waren.«
»Das waren sie.«
»So schwerwiegend, dass sein Überleben ein Wunder ist?« »Ja.«
»So schwerwiegend, dass die Vorstellung, er könne wieder zu seiner früheren Kraft und Stärke zurückfinden – bedauerlicherweise – kaum mehr ist als ein Tagtraum?«
Ein langes Zögern. »Mylord…«
»Mehr braucht Ihr nicht zu sagen«, erwiderte Jarralt mit mitleidtriefender Stimme. »Euer Gesicht beantwortet alle Fragen.« »Lord Jarralt…«
»Es ist eine heikle Angelegenheit. Das verstehe ich.« So viel Freundlichkeit in dieser warmen, sirupartigen Stimme. »Und schmerzlich. Ihr untersteht einem König, der vielleicht… den Überblick… verloren hat.«
Morg kämpfte sich an die Oberfläche und wehrte sich mit schwindenden Kräften gegen die Macht von Nix' verfluchten Drogen. Hier war Ehrgeiz; er konnte ihn riechen wie ein Dämon das Blut einer Geburt witterte. Ehrgeiz und der skrupellose Wille, um jeden Preis zu siegen.
Wunderbar.
Dieser Jarralt war stark, und heute brauchte er Stärke dringender denn je. Er war lange genug von Schwäche gefangen gehalten worden.
Jarralt war die Antwort auf ein Gebet.
Der Pother räusperte sich. »Mylord, Ihr wisst, ich bin dazu gezwungen …« »Selbstverständlich«, besänftigte sein ehrgeiziger Nachfahr den Mann. »Ich verstehe Euch genau. Habt keine Bange, Nix. Wir sind aus demselben Holz geschnitzt, Ihr und ich. Männer von Ehre, die geschworen haben, diesem
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