König 01 - Königsmörder
vor mir sehe, kenne ich nicht. Und wie kann ich einen Mann lieben, den ich nicht kenne?«
Gar spürte, dass die Beine unter ihm nachgaben, und ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken. Plötzlich fiel es ihm schwer zu atmen. »Ich kann das nicht tun.« »Ihr müsst«, erwiderte Holze. »Asher ist ein Krebsgeschwür und drauf und dran, ein Königreich zu töten. Er muss aus seinem Herzen herausgeschnitten werden, bevor sein Gift sich ausbreitet. Wenn Ihr das nicht einseht, besteht für Euch ebenso wenig Hoffnung wie für ihn.«
Er hätte es nie für möglich gehalten, dass der sanfte Holze so hart klingen konnte. »Aber er ist unschuldig. Ihn trifft kein Tadel.«
»Wohl kaum unschuldig«, warf Conroyd ein. »Nach Eurem eigenen Eingeständnis hat er das Gesetz gebrochen!«
Wieder sah er Holze an. »Wisst Ihr, womit Conroyd gedroht hat, um mich dazu zu bringen, dieser Perfidie zuzustimmen? Hat er Euch erzählt, was er zu tun geschworen hat, wenn ich mich weigern sollte, ihn bei der Ermordung Ashers zu unterstützen?«
Holze schüttelte den Kopf. »Eine gesetzmäßige Hinrichtung ist kein Mord.« »Er hat gesagt, er würde das Vermächtnis meiner Familie besudeln!« »Das habt Ihr selbst getan.«
»Er hat gesagt, er würde Tausende schuldloser Olken abschlachten!« »Sollte sich herausstellen, dass es andere Olken gibt – andere Verräter – mit dem Bestreben nach einer Macht, die Barl selbst ihnen verwehrt hat, dann werden sie gewiss sterben«, erwiderte Holze. »Aber das kann man kaum als Abschlachten bezeichnen.« Conroyd lächelte. »Findet Euch damit ab, Junge. Eure Herrschaft ist vorüber. Ihr habt die Macht weggeworfen, als Ihr Euch mit Asher von Restharven verbündet habt. Unterzeichnet seinen Hinrichtungsbefehl und dieses zweite Schriftstück, in dem Ihr Eure Absicht kundtut abzudanken, und dann kniet nieder und rühmt Barl dafür, dass Ihr um des Friedens dieses Königreichs willen vor einer
rigoroseren
Vergeltung für Eure Taten verschont bleibt.«
Gar starrte auf die zweite Pergamentrolle, und für einen letzten verrückten Augenblick erwog er es, ihnen zu trotzen. Erwog es, Conroyd in das hübsche, hassenswerte Gesicht zu spucken und sich und Asher Barls Barmherzigkeit zu überantworten. Der Liebe der Menschen seines Königreichs zu überantworten, Doranen wie Olken. Ihrer Vergebung seiner Schwäche, seines Versagens als Ma– gier, seiner Verzweiflung als König.
Irgendwie las Conroyd seine Gedanken. »Sie würden Euch vielleicht –
vielleicht –
vergeben, Junge. Asher werden sie
niemals
vergeben. Er ist bereits tot. Er war in dem Augenblick tot, als Ihr ihn dazu überredet habt, Barls erstem Gesetz zu trotzen. Und wenn Ihr ehrlich seid, wenn Ihr überhaupt der Ehrlichkeit fähig seid, wisst Ihr, dass ich die Wahrheit spreche.«
Plötzlich verspürte er ein seltsames Gefühl, als zerbreche etwas in ihm, als seien seine Knochen aus Glas, während Conroyds Worte Hämmer waren, die zuschlugen. Er nickte. »Ja. Ich weiß.«
In der Schreibtischschublade befanden sich eine Feder und Tinte. Er holte sie hervor und unterzeichnete die Proklamationen. Schrieb bedächtig und mit ruhiger Hand und benutzte all seine Namen und Titel.
Gar Antyn Bartolomew Dannison Torvig, Abkömmling des Hauses Torvig, Verteidiger des Hauses Torvig, Wet– termacher von Lur.
Verräter… Betrüger… und Brecher von Eiden … »Vergesst Euer persönliches Siegel nicht«, drängte Conroyd ihn. »Das i– Tüpfelchen, sozusagen.«
In einer anderen Schublade lag eine Stange Siegellack. Conroyd schmolz ihn mit einem einzigen Wort und lächelte ein klein wenig.
Gar drückte seinen Siegelring in jeden blutroten Teich und vollendete seinen Akt des Verrats. Es war, als hätte die Hand eines Fremden die Tat verübt. Conroyd nahm die unterzeichneten Proklamationen an sich und rollte sie schnell zusammen. »Was den Rest betrifft…«
»Rest?«, wiederholte Gar schwach. »Welchen Rest?«
»Meine Erhebung auf den Thron. Ich habe eine Krisensitzung des Großrats einberufen, bei der Ihr Eure Abdankung und Euren Rückzug aus dem öffentlichen Leben verkünden werdet. Ihr werdet mich zu Eurem gesetzmäßigen Erben erklären. Zu Lurs neuem König und Wettermacher. Dann werdet Ihr in diesen Turm zurückkehren und das Gelände nicht verlassen, bis ich Euch die Erlaubnis dazu gebe.«
Dies war ein Traum, es musste ein Traum sein. »Heute? Ihr wollt, dass ich heute abdanke?«
Conroyd zog goldbestickte Handschuhe über. »Warum das
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