König 01 - Königsmörder
zurück. Setzt diesen jämmerlichen Darran darüber in Kenntnis, dass er für heute Nachmittag um zwei Uhr eine Dringlichkeitssitzung des Großrats einberufen soll.«
Willer verneigte sich. »Ja, Mylord.«
Als Nächstes ließ Morg Jarralts Kutsche vorfahren und begab sich in die Kapelle, wo er den schwatzhaften Holze mitten in einer Morgenmesse antraf. »Conroyd!«, rief der barlhörige Geistliche, sobald das Gejaule vorüber war und die Gemeinde ihre Plätze verlassen hatte. »Ihr wirkt so beunruhigt! Stimmt etwas nicht?«
Morg verlieh Jarralts auf strenge Weise schönem Gesicht einen tragischen Ausdruck. »Ich fürchte, mein lieber Efrim, ich habe tatsächlich schlechte Nachrichten. Können wir reden? Unter vier Augen?«
»Natürlich! Kommt, wir können uns in meinem Arbeitsraum unterhalten.« Morg folgte ihm mit einem stillen Lächeln aus der Kapelle. Als sie an einem der vielen Porträts seiner teuren, geliebten, toten Hure vorbeikamen, warf er ihr eine Kusshand zu.
Als Asher aus seiner Benommenheit auftauchte, stellte er fest, dass er noch immer auf dem Boden seiner Zelle im Wachhaus lag, aber nicht mehr gefesselt war. Pellen Orrick saß vor der Zelle auf einem Stuhl und las Berichte. Die Schmerzen, die Jarralt ihm zugefügt hatte, waren verklungen, aber bei der Erinnerung daran wurde sein Mund trocken, und er begann beinahe von Neuem am ganzen Körper zu zittern.
Unbeholfen richtete er sich auf und lehnte sich gegen die Gitterstäbe. »Ich will Gar sehen«, krächzte er. »Ich habe das Recht dazu.«
Orrick sah ihn an. Niemand hätte den Hauptmann jemals als mitteilsam bezeichnet, aber während der vergangenen Wochen hatten sie die Gewohnheit entwickelt, unbefangen und scherzhaft miteinander zu plaudern. Er war drauf und dran gewesen zu denken, dass der Mann vielleicht ein Freund werden könnte. Jetzt jedoch war das warme Flackern der Anerkennung in Orricks hellen Augen erloschen, und sein Gesicht war so starr wie Stein.
»Sprecht mir nicht von Rechten, Asher. Nicht nach dem, was Ihr getan habt. Und versucht auch nicht, jetzt Euer Liedchen zu ändern. Ihr habt
gestanden,
zuerst vor Lord Jarralt und dann vor mir! Ihr habt selbst das Urteil über Euch gesprochen!« Er hatte Orrick gegenüber gestanden? Daran erinnerte er sich nicht. Der Schmerz hatte ihm etwa eine Stunde gestohlen. »Ich habe nur getan, was Gar von mir verlangt hat.«
Orrick verzog das Gesicht. »Das behauptet Ihr.«
»Jetzt bin ich also ein Lügner, ja?«
»Asher, ich wage nicht zu denken, was Ihr seid«, erwiderte Orrick, stand auf und wandte sich ab.
Er schlang die Finger um die Gitterstäbe und zog sich auf die Füße. »Jarralt hat es Euch nicht erzählt, nicht wahr?«
Widerstrebend drehte Orrick sich um. »Was hat er mir nicht erzählt?«, fragte er schließlich widerwillig.
»Gar hat seine Magie verloren.«
Ein weiteres Schweigen, länger diesmal. Dann schüttelte Orrick den Kopf. »Das ist unmöglich.« »Nein. Es ist wahr.«
»Dann habt Ihr sie gestohlen«, gab Orrick zurück, »obwohl Barl allein weiß, wie.« »Sie
gestohlen?
Sehe ich für Euch aus wie ein Schwachsinniger?«
»Ihr seht aus wie ein Verräter.«
Es hatte keinen Sinn, er konnte nicht länger aufrecht stehen. Mit einem unterdrückten Stöhnen ließ er sich wieder zu Boden sinken. »Nun, ich bin es aber nicht.«
»Ihr habt Barls erstes Gesetz gebrochen!«
»Und Jarralt hat das zweite gebrochen! Er hat mir mit Magie Schmerzen zugefügt, Pellen! Kümmert Ihr Euch auch um
dieses
Gesetz? Oder zählt es nicht, wenn mir jemand Schmerzen bereitet?«
Zum ersten Mal zeigte sich auf Orricks verstockten Zügen ein Schimmer der Unsicherheit. »Ich bin nicht voreingenommen, was das Gesetz betrifft, Asher«, entgegnete er steif. »Ich gebe zu, dass Lord Jarralt… irregeleitet war. Aber er ist auch aufs Schwerste provoziert worden!«
»Genauso, wie ich provoziert wurde!«, rief er. »Glaubt Ihr, ich hätte dies
freiwillig
getan? Gar hat mich
angefleht,
Orrick. Habt Ihr eine Ahnung, wie es ist, von seinem König angefleht zu werden? Er hatte den verzweifelten Wunsch, Lur vor Jarralt zu schützen, und ich war dumm genug, mich von ihm überreden zu las– sen.
Fragt
ihn, Pellen. Er wird Euch sagen, dass ich nicht lüge. Ich
schwöre
es.« Orrick strich sich mit der Hand übers Gesicht. Er hörte zu, war aber nicht überzeugt. »Ihr habt die Magie Seiner Majestät nicht gestohlen?«
»Nein.«
»Woher ist sie dann gekommen?«, flüsterte Orrick. Er schien hin–und
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