König 01 - Königsmörder
Wangen trieb, mitten hinein in das Herz der Einsamkeit. Als sich die von Felsen übersäten und von Moor bedeckten Kuppen endlich trostlos in alle Richtungen dehnten, hob Gar die Hände und ließ Ballodair langsamer laufen, bis er zuerst trabte, dann ging und schließlich dampfend zum Stehen kam. Keuchend und schwitzend gab Asher Cygnet das Zeichen, ihm gegenüber stehen zu bleiben, in einigem Abstand zu dem anderen Pferd.
Ein wachsames Schweigen stand zwischen ihnen.
Kurz bevor es unerträglich wurde, begann Gar zu sprechen. »Wir können nicht so tun, als sei es nicht geschehen.«
Asher blinzelte die Tränen, die der scharfe Wind ihm in die Augen getrieben hatte, beiseite. »Ich kann.«
»Nein«, widersprach Gar, dessen Miene ebenso kalt und unnahbar war wie das Moor. »Das kannst du nicht. Es ist nämlich so, wir haben ein Problem.« »Vermutet Ihr?«, sagte Asher und lachte.
Gars behandschuhte Finger krampften sich fester um den Zügel. »Wenn du noch einmal lachst, werde ich dich von deinem Pferd ziehen und deinen Kopf so lange mit einem Steinbrocken bearbeiten, bis nur noch blutiger Brei davon übrig ist.« Er musterte Gar von Kopf bis Fuß. »Ihr könntet es versuchen.«
Mit einem Aufschrei ärgerlicher Ohnmacht ließ Gar sein Pferd auf der Stelle drehen. Das Pferd schnaubte, grollend wegen der groben Behandlung. »Asher. Nicht. Es hilft uns nicht.«
Der Olke blickte zum fernen Horizont hinüber. »Das ist wahr. Es gibt nur eins, was uns helfen kann. Ich muss fortgehen.«
Ballodair stampfte in dem feuchten Boden und verkündete grunzend seine Ungeduld. Gar riss heftig an den Zügeln. »Du kannst nicht gehen.« »Und ob«, sagte er, während Furcht in ihm aufstieg. »Ich werde es tun. Ich…« »Asher, ich habe meine Magie verloren.«
Irgendwo in der Ferne hörte man das schwache Rufen eines Brachvogels. Cygnet schnaubte und schlug mit dem Schwanz. Asher räusperte sich. »Ich weiß nicht, was das bedeutet.«
Gars Augen waren schrecklich. »O doch, du weißt es. Wir wissen es beide. Gar, der ohne Magie Geborene ist wieder da.«
»Das ist nicht möglich.« Eine schreckliche Vorahnung flatterte wie mit schwarzen Flügeln um seinen Kopf. Er versuchte, mit Worten dagegen anzukämpfen. »Ihr seid einfach erschöpft. Ihr bildet Euch Dinge ein.«
»Ich bilde mir Dinge
ein?«,
schrie Gar. »Wie kannst du es wagen, das zu sagen. Wie kannst du es
wagen,
nach allem, was ich durchlebt habe? Denkst du, ich könnte nach nur einigen wenigen
Wochen
mit Magie vergessen, wie sich vierundzwanzig Jahre Leere angefühlt haben? Ich bin
leer,
Asher. Bei aller Macht und sogar der Erinnerung daran. Während du…
du…«
Unter Gars wütendem Funkeln zuckte Asher zusammen, als hätte er sich verbrannt. Er riss die Hände hoch, drückte die Waden in Cygnets Flanken und ließ das Pferd zwei Schritte zurückgehen. »Sagt es nicht.« Gar war unerbittlich. »Ich muss. Und du musst es hören.«
»Nein.
Ich kann nicht. Ihr könnt das nicht von mir verlangen… nicht von mir erwarten…«
»Aber ich kann es sehr wohl, Asher. Und ich tue es. Ich bin immer noch meines Vaters Sohn. Hüter seines Vermächtnisses. Die letzte lebende Verbindung zum Haus Torvick, Sachwalter dieses Königreichs seit fast vier Jahrhunderten. Ich habe eine Pflicht, und ich werde sie erfüllen. Ungeachtet des Preises oder der Konsequenzen.«
»Für Euch?« Asher lachte ohne Heiterkeit. »Für Euch gibt es keine Kosten oder Konsequenzen! Kosten und Konsequenzen sind für gewöhnliche Leute wie mich und Timon Spake!«
Gar sah ihn nur an. »Gestern Nacht, Asher, hast du es regnen lassen. Sitz also nicht einfach da und fasele etwas von gewöhnlichen Leuten. Du bist alles andere als
gewöhnlich.«
»Ich bin es, wenn ich sage, dass ich es bin!« Beim Klang seiner Stimme warf Cygnet den Kopf hoch, die Ohren angelegt. »Ihr denkt, ich
will
dies? Magie? Hah! Wenn es eine Möglichkeit gäbe, sie gleich hier und jetzt loszuwerden, würde ich genau das tun!«
»Wirklich?«, fragte Gar spöttisch. »Bist du dir sicher? Erzähl mir nicht, dass du die Pracht der Magie gestern Nacht nicht gespürt hast, ihre Pracht ebenso wie ihre Qual. Ich habe dein Gesicht gesehen, Asher. Ich weiß
genau,
was du gefühlt hast.«
Sprachlos vor Schreck und zitternd vor Empörung, konnte er Gar nur anstarren. Der dünne Wind wehte ihm bitterkalt ins Gesicht, und er spürte seinen Biss bis auf die Knochen. Cygnet tänzelte nervös, kurz davor, durchzugehen. »Das ist nicht meine Schuld.
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