König 01 - Königsmörder
Holze gehen und ihnen mitteilen, dass meine Magie versagt hat. Ich werde Conroyd zum König ernennen und Holze zum neuen Meistermagier. Conroyd wird die Wettermagie empfangen, das erste Mal Wetter machen und dann öffentlich als König vorgestellt werden. Keine Ungewissheit. Keine Spaltung. Keine Toten.«
Ein Monat. Regen und Schnee und Blut.
Magie.
»Wartet nicht«, erwiderte er, während sein Magen sich zusammenkrampfte. »Tut es sofort.«
Gar schüttelte den Kopf. »Nicht solange auch nur die geringste Hoffnung besteht, dass es mir noch gelingen könnte, dieses Königreich vor Conroyd zu bewahren.«
»Dann wählt jemand anderen aus!«
»Es gibt niemand anderen.«
»Verdammt, Barl stehe mir bei!«, rief er und wendete Cygnet, damit er Gars stille Verzweiflung keinen Augenblick länger mitansehen musste. »Ich wollte Fischer sein, Gar. Ich wollte nichts als ein Boot und den Ozean und einen offenen, sonnenbeschienenen Himmel…«
»Und ich wollte Magie«, entgegnete Gar. »Nicht jeder bekommt, was er will, Asher. Die meisten bekommen nur das, was man ihnen gibt.«
Asher starrte auf das Moor hinaus, weil er seiner Stimme nicht traute. Weil er Angst hatte, dass ein einziges Wort ihn endgültig in die Knie zwingen würde. »Ich wollte heiraten«, bemerkte Gar reserviert. »Ich wollte Vater werden. Es ist komisch, nicht wahr, dass man sich selbst so oft sagen kann, dass man etwas nicht will, bis man tatsächlich anfängt, es zu glauben.«
Das Raukopfmoor verschwamm vor seinen Augen. Er blinzelte gequält, um seinen Blick zu klären. Fand seine Stimme wieder. »Wie könnt Ihr das von mir verlangen?«
»Wie könnte ich es nicht tun?«, erwiderte Gar.
Es war eine Forderung. Eine flehentliche Bitte. Ein Mühlstein um seinen Hals. Er zog die Füße aus den Steigbügeln und ließ sich aus dem Sattel rutschen. Dann ging er mit gesenktem Kopf davon, und bei jedem Schritt klatschte und gurgelte der durchweichte Boden unter seinen Stiefeln.
Er hatte immer ein gefährliches Leben gelebt. Wenn ein Mann in der Morgendämmerung aufbrach, konnte niemand sagen, ob er bei Sonnenuntergang zurückkommen würde. Das Fischen war eine riskante Art, seine Tage zu verbringen. Damit war er aufgewachsen. Das hatte er akzeptiert. Vom Fischen verstand er etwas.
Aber dies hier? Wie konnte er dies verstehen?
Ich habe Magie im Blut.
Woher war sie gekommen? Wie war sie dorthin gelangt?
Wie werde ich sie wieder los?
Ein kleiner Schluck Wettermagie war genug gewesen. Kein Mann sollte solche Macht besitzen, aus keinem Grund. Nicht einmal, um Gutes zu tun. Die Knochen taten ihm noch immer weh bei der Erinnerung daran. Bei der Pracht, bei dem Schmerz.
Hinter ihm erklang das gurgelnde Platschen von Gars Schritten.
Er drehte sich nicht um. »Was ist, wenn ich nicht der Einzige bin, Gar? Was, wenn es andere Olken wie mich gibt?«
»Dann bete ich, dass sie in ihrem sicheren Versteck bleiben werden.« »Ich habe
Angst!«,
sagte er und ballte unwillkürlich die Fäuste. »Ich auch.« Jetzt drehte er sich doch um, holte tief und schmerzhaft Atem und stieß ihn wieder aus. Gar wirkte nicht verängstigt. Sein Gesicht war eine Maske, die alle Gefühle unterdrückte. »Wenn dabei etwas schiefgeht…«
Gar schüttelte den Kopf. »Es wird nichts schiefgehen.«
»Es
könnte
etwas schiefgehen! Und wenn das geschieht…«
Die Maske verrutschte. »Dann werden sie auch mich töten müssen«, sagte Gar. Seine Stimme war tief und zitterte. »Sie werden mich zuerst töten müssen. Ich schwöre es, Asher. Bei den Leichen meines Vaters und meiner Mutter und meiner armen, irregeleiteten Schwester. Sie werden mich zuerst töten müssen.«
Anrührende Worte voller Aufrichtigkeit. Er wollte daran glauben. Gar glaubte daran. Aber war das genug? Wenn das Unvorstellbare geschah und dieser wahnsinnige Plan entdeckt wurde, würde der Eid eines magielosen Königs genügen, um ihn zu retten?
Als er Gars toten Vater gefragt hatte, wie er seinem Sohn am besten helfen könne, war es nicht dies gewesen, was er im Sinn gehabt hatte…
»Bitte, Asher«, sagte Gar leise. »Tu es. Ich glaube, dass unser Königreich dem Untergang geweiht ist, wenn du es nicht tust.«
Für einen langen Moment vergaß er, wie man atmete. Ein schrecklicher innerer Druck baute sich in ihm auf, schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen, und seine Lungen drohten zu bersten. Das trostlose Moor verschwamm in Rot– und Orangetönen. Er riss sich los von seinem Peiniger, seinem Freund, seinem König.
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