König 01 - Königsmörder
Ich habe nicht darum gebeten.«
Gars Lippen verzogen sich. »Vielleicht nicht. Aber du hast sie.«
»Und Ihr seid so eifersüchtig, dass Ihr speien könntet, nicht wahr? Nun, verdammt sollt Ihr sein, Gar«, sagte er schließlich und lenkte Cygnet von Ballodair weg.
Gar gab Ballodair die Sporen und trieb ihn vorwärts, sodass Ashers Fluchtweg blockiert wurde. »Es tut mir leid«, sagte er rau. Sein Gesicht war erfüllt von grausamem Schmerz. »Du musst verstehen. Ich dachte, ich sei meines Vaters Sohn in mehr als dem Namen, aber das bin ich nicht. Oh, Asher, verstehst du denn nicht? Du
musst
mir helfen. Wenn offenbar wird, dass ich meine Magie verloren habe, wird Chaos ausbrechen!«
»Und wenn offenbar wird, dass ich sie gefunden habe, wird es ohnehin Chaos geben! Ganz zu schweigen von einer Hinrichtung!«
Gar schüttelte den Kopf. »Das wird nicht geschehen.« »Warum nicht?«, höhnte er. »Weil Ihr mich beschützen werdet?« »Ja.«
»Hah! So wie Ihr Timon Spake beschützt habt?« Es war ein Schlag unter die Gürtellinie, aber das scherte ihn nicht. Als Gar, solchermaßen zum Schweigen gebracht, zusammenzuckte, riss er Cygnet einen Schritt zurück. »Bittet mich nicht noch einmal, Wettermagie zu benutzen, Gar. Ich kann es nicht tun. Ich
kann
nicht.«
Gar, der sich inzwischen ein wenig erholt hatte, ignorierte ihn. »Ohne die Wettermagie kann Barls Mauer nicht überleben. Und wenn die Mauer fällt, werden dieses Königreich und all die unschuldigen Menschen darin zerstört werden. Ist es das, was du willst?«
»Ich bin nicht der Einzige, der es tun kann! Da ist zum einen Conroyd Jarralt. Und er ist Dorane. Man
erwartet
von ihm, dass er es tut!«
Gars Züge verzerrten sich. »O ja. König Conroyd: Ein Gedanke, bei dem einem das Blut gefriert. Aber es gibt auch noch andere, die schlafende Träume von Herrschaft hegen. Wenn mein Versagen an die Öffentlichkeit dringt, werden wir, noch bevor diese Woche vorüber ist, bis zu den Hüften in Blut waten. Glaub mir, Asher. Ich bin ein fähiger Historiker, und ich weiß, was die Aussicht auf Macht anrichten kann.«
Asher hatte die Fäuste so fest um die Zügel gekrallt, dass seine Finger in den Handschuhen taub wurden. »Also… sagt es mir nicht. Lasst mich raten. Ihr wollt weiter die Krone tragen, während ich mich um das Wettermachen kümmere? Ist das der Plan?«
Gar sah ihm direkt ins Gesicht. »Ich bin verzweifelt.«
»Nun,
ich
bin es nicht! Und ich bin auch nicht wirr im Kopf! Ihr würdet dies hier niemals geheim halten können, Gar! Früher oder später würden die Menschen bemerken, dass Ihr in der Öffentlichkeit keine Magie mehr wirkt. Es wird Gerede geben. Fragen. Zuerst werden es höfliche Fragen sein, aber am Ende wird man Forderungen stellen. Die Wahrheit wird herauskommen, und dann werde ich nicht der einzige Olk sein, dem Gefahr droht! Ihr könnt mich nicht bitten, mein ganzes Volk aufs Spiel zu setzen. Ihr dürft nicht!«
Schweigen. Gar starrte wieder auf das graue, trostlose Moor. Asher, der langsam bis aufs Mark fror, schob die Finger in die Achselhöhlen und wartete. Über ihnen kreiste mit ausgestreckten Flügeln ein Sperber. Als er etwas in den Grasbüscheln am Boden entdeckte, hielt er jäh inne. Ein eleganter Schuss in die Tiefe, ein Triumphschrei, und er flog wieder gen Himmel. Der Tod baumelte an seinen Krallen.
»Du hast Recht«, sagte Gar, der aus seinem Tagtraum auftauchte. »Wir können es nicht für immer geheim halten. Aber wir können es noch für einen Monat geheim halten.«
»Und was soll
das
nutzen?«
»Asher, dein Volk war während Trevoyles Spaltung nicht sicher. Es sind Hunderte gestorben. Und wenn das Königreich eine neuerliche Spaltung erlebt, werden wieder Hunderte von Olken sterben. Vielleicht werden es diesmal Tausende sein. Du kannst das verhindern. In einem Monat sollte ich in der Lage sein, sämtliche medizinischen und magischen Texte zu lesen, die wir haben, um festzustellen, ob es eine Heilung für mein Gebrechen gibt. Vielleicht findet sich sogar etwas in Barls wiederaufgefundener Bibliothek. Ich hatte nie die Gelegenheit, sie zur Gänze durchzusehen.«
»Jetzt sagt Ihr also, dass es eine
Heilung
gibt?« Gar zuckte die Achseln. »Es könnte eine geben.« »Und wenn es keine gibt?«
Ein neuerliches Achselzucken. »Wenn es mir nach Ablauf eines Monats nicht gelungen ist, eine Kur zu finden, oder wenn Durm dann noch bewusstlos ist – oder tot – und mir überhaupt nicht helfen kann, werde ich zu Conroyd und
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