König 02 - Königsmacher
Ernten und die verwüsteten Häuser hatte, so teilte er sie Asher nicht mit. Ebenso wenig sprach er den trauernden Olken, denen sie unterwegs begegneten, Trost zu. Er machte nur Halt, wenn es unbedingt notwendig war: um zu trinken, zu essen, seine Notdurft zu verrichten oder den Pferden Ruhe zu gönnen. Soweit Asher es feststellen konnte, erkannte sie niemand. Der Prinz trug schlichte, braune Lederkleidung und einen Kapuzenumhang. Da er seinen blonden Schopf bedeckt hatte, hätte man ihn aus der Ferne leicht für einen Olken wie Asher halten können.
Während die Sonne am Himmel emporstieg und wieder sank, legten sie Meile um Meile zurück. Eingedenk der weiten Strecke, die noch vor ihnen lag, hortete Asher seinen Schatz von Pillen und Tränken und gewöhnte sich an den Schmerz. Gestrandet zwischen zwei Dörfern, musste Gar endlich eingestehen, dass es an der Zeit war, Halt zu machen. Die Sonne war untergegangen, und der Mond war eine ferne, schmale Sichel hoch über ihnen im Westen. Sie hielten an und wogen ihre Möglichkeiten ab.
Asher blinzelte in die Dunkelheit und streckte die Hand aus. »Da drüben ist eine Scheune, die noch steht.«
»Das wird genügen«, sagte Gar. Er zog Ballodaires Kopf herum und trieb das müde Pferd zum Weitergehen an. »Ich werde es Darran nicht verraten, wenn du es auch nicht tust.«
Es waren Ratten im Stroh und Löcher im Dach, aber es war besser als nichts. Nachdem sie die Pferde abgesattelt und jedem von ihnen zwei schäbige Hände voll Hafer zu fressen gegeben hatten, setzten sie sich in der Dunkelheit nieder und verzehrten ihr eigenes mageres Mahl, bestehend aus Wurst und Käse. Sie hatten Kerzen und eine Zündholzschachtel, wagten es aber nicht, sie zu benutzen.
»Geht es dir gut?«, fragte Gar zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch aus Westjammer.
Asher wollte mit den Schultern zucken, hielt dann jedoch inne. »Ich werde zurechtkommen.«
Dann betteten sie sich ins Stroh. »Wenn es keine weiteren Katastrophen gibt«, sagte Gar und unterdrückte ein Niesen, »denke ich, dass wir Dorana binnen einer Woche erreichen können.«
»Ja. Wenn es keine Katastrophen gibt. Aber wir müssen auf die Pferde Acht geben. Matt wird nie wieder ein Wort mit uns sprechen, wenn wir sie zuschanden reiten.«
»Ich weiß.«
Asher stöberte in seiner Satteltasche, fand eine der Phiolen des Pothers und schluckte mit einer Grimasse den abscheulich schmeckenden Inhalt. Nach einigen Augenblicken verblasste das tobende Feuer in seinem Fleisch zu einem warmen Glimmen. Gelobt sei Barl. Mit einem Seufzer der Erleichterung legte er sich auf die Seite und zog seinen Sattel ein wenig näher heran, um ihn als Kissen zu benutzen. Er war so müde, dass er purpurfarbene Flecken in der Luft vor seinem Gesicht tanzen sehen konnte, obwohl sie keine Kerzen hatten. Er schloss die Augen. Einer nach dem anderen entspannten sich seine protestierenden Muskeln. Der Schlaf lockte.
In der Dunkelheit sagte Gar leise: »Ich war fünf, als Durm bestätigte, was man lange geargwöhnt hatte. Als ich erfuhr, dass ich… dass ich bin, was ich bin. Nachdem der erste Schock sich gelegt hatte, lebte ich in der täglichen Furcht, dass mein Vater aufhören würde, mich zu lieben. Ich dachte, man würde mich möglicherweise irgendwo in Pflege geben, vielleicht bei einer olkischen Familie, in der der Mangel an Magie keine Rolle spielte. Ich weiß nicht, warum ich auf diesen Gedanken kam. Kinder haben wahrscheinlich eigenartige Ideen. Selbst in diesem jungen Alter wusste ich, dass meine Eltern meinetwegen Ärger bekommen würden. Und vielleicht nicht nur meine Eltern, sondern das ganze Königreich. Ich wusste, dass Könige und Königinnen im Gegensatz zu anderen doranischen Familien nur ein einziges Kind haben durften, einen Erben… und dass das kostbare Vermächtnis meines Vaters an einen Krüppel ohne Magie vergeudet war.«
»Klingt in meinen Ohren ziemlich dumm«, bemerkte Asher schläfrig. »Ich finde, es sollte einen Erben geben und mindestens einen Ersatz.«
»Du vergisst die Geschichte. Trevoyles Spaltung. Dieses Königreich ist fast zerstört worden von Brüdern und Schwestern, die um das Recht kämpften, zum Wettermacher ernannt zu werden.«
»Ist denn niemand auf die Idee gekommen, Strohhalme zu ziehen?« Gar lachte kurz und trocken auf. »Drei Monate nachdem meine wahre Natur offenbart worden war, nahm mein Vater mich auf einen Ausritt mit. Es war wunderbar, etwas ganz Besonderes. Er war in letzter Zeit so beschäftigt
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