König 02 - Königsmacher
gewesen, so voller Sorgen. Ich hatte erhobene Stimmen gehört. Weinen. Irgendwie wusste ich, dass ich der Grund dafür war. Wir sind… eine Ewigkeit geritten, bis wir ganz allein waren, in den Vorhügeln der Berge. Dort machten wir Halt, und er erzählte mir, dass Barl mir eine Schwester geschenkt habe. Ich war verwirrt. Ich dachte, ich dürfe keine Schwester haben, weil wir waren, wer wir waren. Er sagte, ich brauche mir deswegen keine Sorgen zu machen. Ich, so sagte er, solle lediglich der große Bruder meiner neuen Schwester sein. Es sei eine sehr wichtige Aufgabe. Ich müsse sie lieben und auf sie Acht geben und ihr helfen, eines Tages die größte Wettermacherin in der Geschichte Lurs zu werden.«
Asher knurrte. »Ihr seid wirklich ein Glückspilz.«
»Ich erinnere mich, dass mein Vater sich von seinem Pferd herabbeugte, mein Gesicht in beide Hände nahm und mich auf die Stirn küsste. Es waren Tränen in seinen Augen. Auf seinen Wangen. Er sagte: ›Ich werde dich immer lieben, Gar. Ich weiß nicht, warum du ohne Magie geboren wurdest, aber ich weiß, dass es einen Grund geben muss. Barl verfolgt ein bestimmtes Ziel mit dir, mein Sohn. In meinem Herzen weiß ich, dass das wahr ist. Wir müssen nur Geduld haben, bis Barls Absichten offenbar werden.‹«
»Habt Ihr ihm geglaubt?«
»Ich glaube, dass er mich geliebt hat.«
»Und was ist mit dieser Geschichte, dass Barl ein bestimmtes Ziel mit Euch verfolge? Ich nehme nicht an, dass sie irgendwelche Andeutungen gemacht hat, wie?«
»Er war ein Vater, der versuchte, den Schmerz seines Kindes zu lindern. Was denkt Ihr?«, fragte Gar rau. Dann fügte er im Flüsterton hinzu: »Die gesegnete Barl stehe mir bei. Er ist tot, er ist tot… Und ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll…«
Draußen vor der Scheune schrie eine jagende Eule. Die Pferde hoben den Kopf und stampften unbehaglich im Stroh. Ein wenig weiter entfernt bellte ein Fuchs. Bellte abermals. Ein zweiter Fuchs antwortete ihm.
Ich weiß es auch nicht, dachte Asher, sprach es jedoch nicht aus. Es hatte keinen Sinn. Eine Erinnerung stieg in ihm auf wie Nebel und blendete die Gegenwart aus. Erstickte ihn in der Vergangenheit. »Ich habe meinen Pa nur einmal weinen sehen, an dem Tag, an dem wir Ma beerdigt haben«, sagte er, beinahe zu sich selbst.
»Es war ein schlimmer Tag. Es regnete nicht direkt in Strömen, aber vom Riff wehte ein kalter, ungemütlicher Nieselregen herbei. Nachdem man sie in die Erde gelegt und die notwendigen Worte gesprochen hatte, gingen die Leute nach Hause. Meine Brüder gingen nach Hause. Aber Pa blieb. Saß neben dem Loch, das sie verschlungen hatte, im Schmutz und sagte nur immer wieder und wieder ihren Namen. Amaranda. Amaranda. Sein Gesicht war nass. Ich redete mir ein, es sei der Nieselregen, aber tief im Innern wusste ich es besser. Ich wusste, es waren Tranen.« »Wie alt warst du?«
»Gerade acht Jahre. Ein kleiner Bursche noch. Als er nicht aufstehen wollte, setzte ich mich neben ihn. Er legte den Arm um mich, was nicht oft geschah, und ich sagte: ›Sei nicht traurig, Pa. Wir werden schon zurechtkommen. Eines Tages, wenn ich ein erwachsener Mann bin und reich, kaufe ich uns ein Boot, und wir werden es
Amaranda
nennen. Wir werden es grün und blau anstreichen, in Mas Lieblingsfarben. Und niemand außer uns wird es segeln dürfen. Zeht und den anderen erlauben wir nicht einmal, es anzusehen. Dieses Boot wird nur für uns sein. Ich verspreche es. Du und ich, Pa. Wir werden zusammen sein und lachen, ja? Du und ich.‹«
Gars Seufzer durchbrach die Stille. »Es tut mir leid. Was deinem Vater zugestoßen ist. Und auch deinem Freund, wie hieß er noch gleich…« Asher grub die Finger in das alte Stroh und ballte die Fäuste. Er hatte ihn finden wollen und dafür sorgen, dass jemand sich um ihn kümmerte, aber dazu war keine Zeit gewesen. »Jed.«
»Ja. Jed. Hör mal… Asher…« Der Prinz klang zögerlich. »Dir
muss
doch klar sein, dass nichts von alledem deine…«
»Ich weiß«, stieß er hastig hervor. Um Gar zum Schweigen zu bringen, nicht weil er es glaubte. »Ich schätze, wir haben genug geredet für eine Nacht. Wir sollten unsere Kraft für morgen sparen und für übermorgen und für den Tag danach. Wir haben einen weiten Weg vor uns, an dessen Ende uns nichts als Herzeleid erwartet. Also, wenn es Euch recht ist, würde ich jetzt einfach schlafen. Ihr wäret gut beraten, das Gleiche zu tun.«
Er dachte, dass Gar vielleicht Einwände erheben würde, aber
Weitere Kostenlose Bücher