König 02 - Königsmacher
nur Schweigen war seine Antwort. Nach einer Weile ging der Atem der Prinzen langsamer und gleichmäßiger. Stunden später murmelte er den Namen seines Vaters, wachte aber nicht auf. Schließlich entfloh auch Asher in den Schlaf… und träumte. Die Morgendämmerung kam nicht schnell genug.
»Nun?« Matt beugte sich über Dathnes Schulter. »Hast du ihn gefunden?« Sie stieß ihn mit dem Ellbogen zurück. »Komm mir nicht so nah. Und sei still. Ich muss mich konzentrieren.«
Vor ihrem Wohnzimmerfenster ließ die Abenddämmerung die Umrisse der Stadt weicher erscheinen. Wenn die Dämmerung doch nur in der Lage wäre, auch sie selbst weicher zu machen. Sie fühlte sich hart und rau wie zerkratztes Glas. Fünf Tage waren seit dem Unwetter vergangen, und es war ihr noch immer nicht gelungen, Asher in ihrer Sehschale zu finden. Mindestens zwanzigmal hatte sie es versucht, hatte es versucht, bis ihr Kopf von zu viel Tanalblättern zu bersten drohte. Erfolglos. Zuerst waren es die Nachwirkungen des katastrophalen Wetters gewesen und danach die ungezählten Wellen doranischer Magie, die jeden Winkel der Stadt überschwemmten, während allerorten Anstrengungen unternommen wurden, die Schäden zu beheben, die Wind und Wasser und bebende Erde verursacht hatten. Selbst ihr kostbarer Zirkelstein hatte gelitten. An diesem Morgen war es ihr endlich gelungen, Veira zu erreichen, eine schnelle Berührung von Geist zu Geist, um sich davon zu überzeugen, dass es der alten Frau gut ging. Um ihr zu versichern, dass sie und Matt das Unglück unversehrt überstanden hatten.
Nun, größtenteils unversehrt. Matt trauerte noch immer um Bellybone und das tote Fohlen. Aber es gab nichts, was sie daran ändern konnte, daher konzentrierte sie sich weiter auf das, was sie tun konnte. Sie musste Asher finden. Bestätigen, dass auch er in Sicherheit war und in die Stadt zurückkehrte, wo er hingehörte. Wo die Prophezeiung ihn erwartete. Wo sie ihn brauchte.
»Komm, Dathne«, sagte Matt nervös. »Mach weiter. Ich muss in den Stallhof zurückkehren. Es müssen drei Umschläge und Verbände gewechselt werden. Willem ist ein guter Mann, aber er ist noch nicht ganz so weit, diese Dinge allein zu erledigen.«
Sie schluckte einen Fluch herunter. »Du wolltest zum Abendessen bleiben. Wir haben seit dem Sturm nicht mehr richtig miteinander geredet, Matt, es gibt Dinge, die wir…«
Er wandte sich von ihr ab. »Ich kann nicht. Vielleicht morgen.«
»Morgen?«, wiederholte sie mit wachsendem Ärger. »Bist du wahnsinnig? Sieh dich doch um, Matt! Denk daran, was geschehen ist! Der Sturm… Der König… Was glaubst du, geht hier vor? Was glaubst du, was das alles
bedeutet?«
Er hatte während der letzten Tage abgenommen. Seine Augen waren hohl, seine Wangen eingefallen. Die Kratzer auf seiner Haut waren verheilt, aber die Wunden in seiner Seele schmerzten noch immer. Wo einst nur blinder, halsstarriger Glaube gewesen war, waren jetzt Zweifel in ihm.
»Ich weiß nicht, was es bedeutet«, erwiderte er. »Ich weiß nur eins: Wenn alles, was du in deinen Visionen gesehen hast, wahr ist, Dathne, dann war dieser Sturm nichts,
nichts
im Vergleich zu dem, was noch kommen wird. Und dieser Sturm hat uns durchgeschüttelt wie eine Katze eine Maus. Menschen sind
gestorben,
Dathne. Kinder sind gestorben. Und was haben wir dagegen getan? Was konnten wir tun?
Nichts.«
»Es ist nicht unsere Auf gäbe, etwas zu tun, Matt! Das weißt du. Unsere Aufgabe ist es, Wache zu halten. Zu warten. Der Prophezeiung zu folgen und Asher zu leiten.
Er
ist derjenige, der dazu geboren wurde, große Dinge zu tun. Nicht wir.«
Mit zitternden Gliedern trat er von ihr weg und ging im Raum auf und ab. »Dann
finde
ihn, ja? Hör auf, mich zu belehren, und
finde
ihn, verdammt noch mal! Überzeug dich davon, dass er nicht irgendwo tot oder mit zerschlagenen Gliedern in einem Graben liegt! Denn wenn er das tut… Wenn es das ist, was ihm zugestoßen ist…«
Die Anstrengung raubte ihr beinahe den Atem, aber sie hielt den Mund. Es wäre allzu leicht gewesen, über Matt herzufallen, nicht nur wegen des Übermaßes an Tanalblättern, sondern weil er ihren eigenen Zweifeln, ihren eigenen Ängsten Ausdruck verlieh, und sie wollte diese Dinge nicht laut ausgesprochen hören. Falls sie auf diese Weise wahr werden würden. Wenn sie Matt beschimpfte, würde sie sich vielleicht besser fühlen, wenn auch nur für einen Augenblick, aber sie würde ihn verletzen. Sie würde sie alle verletzen. Ihren
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