König 02 - Königsmacher
jetzt den Drang verspüren, wieder auszuatmen, und wenn sie das tut… wenn sie es tut…« Im Schneidersitz auf dem Boden vor ihrem Zirkelstein sitzend, begann sie, sich hin und her zu wiegen. »Ich muss bereit sein. Ich muss wissen, was zu tun ist, wie ich reagieren muss, und ich weiß es nicht, Veira. Ich weiß es nicht. Und ich habe solche Angst, dass das unser aller Verderben bedeutet. Was, wenn ich mich in ihm irre, Veira, und er am Ende doch nicht der Unschuldige Magier ist? Was, wenn ich mich in allem geirrt habe?«
Töricht. Du bist töricht, Dathne. Dies sind lediglich die Fantasien eines übermüdeten Geistes. Er ist der, den du genannt hast, und wenn die Zeit kommt, wirst du genau wissen, was zu tun ist und wie du reagieren musst. Warum sonst wärest du jervals Erbin?
Sie hatte Tränen in den Augen, die langsam aufstiegen, brannten und schließlich ihre Wangen hinunterströmten. »Ich weiß nicht. Ich weiß nicht.«
Ich weiß es. Vertrau mir, wenn du dir für den Augenblick nicht selbst vertrauen kannst.
Wütend wischte sie sich die Wangen trocken. »Es ist schwer. Selbst mit Matt. Selbst mir dir… Ich fühle mich so allein.«
Du bist nicht allein, Kind. Du bist niemals allein. Der Zirkel steht wie immer fest zu dir.
Eine warme Woge der Liebe floss durch die Verbindung zwischen ihnen. Dathne sog scharf die Luft ein, spürte, wie diese Liebe sie ausfüllte. Spürte, wie sie die schrillen Stimmen von Furcht und Zweifeln erstickte. Ihre Augen hörten auf zu brennen. Ihr rasendes Herz verlangsamte seinen Schlag. Ihr Ungemach verebbte ein wenig, sodass sie wieder still dasitzen konnte, die Hände ruhig auf dem Schoß. »Ich wünschte, ich könnte dich treffen, Veira«, flüsterte sie. »Ich meine, in der Außenwelt. In Fleisch und Blut.«
Wärme, Freude.
Wenn die Zeit kommt, Kind, wirst du das tun. Und nun geh zu Bett. Sieh zu, dass du ein wenig Schlaf bekommst. Vertraue der Prophezeiung.
Dathne durchbrach die Verbindung und tat, was ihr aufgetragen worden war. Ging zu Bett, versuchte zu schlafen - und stellte fest, dass es ihr nicht möglich war.
Stattdessen lag sie wach da und starrte zur Decke empor. Wartete auf das Ausatmen der Welt.
Morg saß zusammen mit dem König, der Königin und der Prinzessin in der königlichen Reisekutsche und betrachtete die aufgeregten, Fähnchen schwenkenden Einheimischen, die zu beiden Seiten die Straßen säumten. Die Olken waren eine robuste Rasse. Kaum mehr als Bauern natürlich und drittklassige Händler, magielos wie Steine. Aber robust. Und er wusste gute, robuste Bauern zu schätzen. Sie gaben hervorragendes Rohmaterial für Dämonen ab.
Die Reihen seiner Dämonenarmeen würden anschwellen wie der Bauch einer trächtigen Sau, sobald all diese jubelnden Olken erst einem besseren Verwendungszweck zugeführt wurden.
»Asher! Asher! Barls Segen möge auf Asher ruhen!«, rief die Menge. Gar ritt an der Spitze der offiziellen Prozession, direkt vor der Reisekutsche, der Musikkapelle und den anderen Kutschen, in denen die übrigen Mitglieder des Kronrats saßen. Der Prinz war ausstaffiert mit seinen besten Roben aus Seide und Leder, und der Sonnenschein glitzerte auf einem silbernen Diadem, das er sich auf seinen unwürdigen Kopf gestülpt hatte. Als sie sich vor Beginn der Parade versammelt hatten, hatte er mit angehört, wie der Krüppel den Verlust irgendeines anderen nutzlosen Abzeichens seines Rangs beklagte, und es war ihm ungeheuer schwergefallen, ihn nicht zu schlagen. Du bist ein
Krüppel,
hätte er gern geschrien. Verstehst du denn nicht? Diese Krone oder jene, das macht keinen Unterschied. Tauche dich von Kopf bis zu den Zehen in geschmolzenes Gold und steck dir Rubine, so groß wie Hühnereier, dorthin, wo deine Augen sein sollten, und du wirst trotzdem nichts sein als
Abschaum.
Aber er schwieg. Zeit für harte Wahrheiten würden sie später noch genug haben. Neben dem Krüppel ritt sein viehischer Bauernfreund, Gegenstand der Bewunderung der Menge, der Grund für diese lächerliche Prozession durch die Straßen Doranas. Obwohl er der Gerechtigkeit halber einräumen musste, dass er dem Flegel seinen Augenblick des Ruhms nicht wirklich missgönnen konnte. Zum einen wäre der Krüppel ohne ihn gewiss tot, was seine eigenen Eroberungspläne ernsthaft durcheinandergebracht hätte; und zum anderen war dies wahrscheinlich der letzte ruhmreiche Augenblick im Leben des Bauern. Morg lächelte großmütig. Sollte er es auskosten, solange er konnte.
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