König 02 - Königsmacher
sollte.«
Ohne sich um das Protokoll zu scheren, ließ Asher sich auf den nächstbesten Stuhl sinken. Ihm blieb nichts anderes übrig, es sei denn, er hätte das Risiko in Kauf genommen, zur Gänze umzufallen.
»Meine
Meinung?«
»Ja.« Wenn es den Prinzen kümmerte, dass Asher saß, während er selbst stand, so verlor er jedenfalls kein Wort darüber. »Warum sollte ich Frau Raite mehr Glauben schenken als ihrem Cousin, Meister Brenin?«
»Ihr meint, abgesehen von der Tatsache, dass er ein furzender Narr ist?«, fragte Asher grinsend. »Und dass nicht einer seiner feinen Freunde für ihn eintreten will?« Als der Prinz ihn nur mit unverändert ernster Miene ansah, wurde er rasch nüchtern und versuchte, eine vernünftige Antwort zu ersinnen. »Hm… Er ist reich, und er findet, dass ihn das zu einem besseren Menschen macht. Er hat mit dem Richter gezecht und sich anderweitig vergnügt, um eine Frau zu übervorteilen, die sich wahrscheinlich halb umgebracht hat, um seinen Pa zu pflegen, obwohl sein Pa eigentlich seine Sorge hätte sein sollen,
und
er hat damit gegen die Wünsche seines Pas gehandelt.« Er schnaubte. »Nur um zweihundert Trin an sich zu reißen, die, so wie sich die Dinge anhören, für ihn nichts bedeuten würden und für sie alles.«
»Ich verstehe«, erwiderte der Prinz nickend. »Wenn er also im Recht wäre und sie im Unrecht, würde das keine Rolle spielen, weil er reich ist und die zweihundert Trin nicht vermissen würde?«
»Das hab ich nie gesagt«, protestierte Asher. »Dreht mir nicht die Worte im Mund herum. Herr. Ich meine bloß, dass er ein abscheulicher Kerl ist und obendrein falsch.«
»Falsch?«
»Er hat das Gesetz in ein paar Nagelstiefel verwandelt und seiner Cousine dann damit einen Tritt verpasst«, sagte Asher langsam und mit vor Konzentration gerunzelter Stirn. »Aber dafür ist das Gesetz nicht da. Das Gesetz ist dafür da, Menschen zu helfen, das Richtige zu tun, sodass wir alle Seite an Seite leben können, ohne einander wegen lausiger Nichtigkeiten ans Schienbein zu treten. Oder uns zu nehmen, was uns nicht gehört, nur weil wir es haben wollen. Und wenn man das Gesetz um den Preis eines Weinfasses kaufen kann, ist es keinen Pfifferling wert.«
»Und wenn es nicht um den Preis eines Weinfasses ginge, Asher, was dann? Welchen dinglichen Wert können wir dem Gesetz beimessen?«
»Hm… überhaupt keinen«, sagte Asher. »Das Gesetz hat keinen Preis. Darum geht es doch gerade. Dachte ich jedenfalls. Herr.«
Der Prinz nahm sich einen Moment Zeit, um seine Robe glattzustreichen. Bevor er sich zum Gehen wandte, sagte er: »Diese Angelegenheit sollte nicht mehr allzu lange dauern. Du wirst rechtzeitig zum Abendessen zu Hause sein.«
»Oh«, erwiderte Asher verwundert. »Jawohl. Klar. Das ist gut, Herr. Herr? Was…?«
Aber der Prinz war bereits fort.
»Zum Kuckuck mit dem verflixten Mann«, murmelte Asher und sprang auf, um erneut auf der Galerie auf und ab zu gehen.
Er hatte die Galerie fünfmal abgeschritten, als der Prinz, der nun wieder die Krone aufgesetzt hatte, in die Halle zurückkehrte und die Anhörung weiterging. Nachdem er dem Publikum für seine Geduld gedankt hatte, erklärte der Prinz, dass er bereit für den Urteilsspruch sei. Frau Raite und ihr Cousin, Meister Brenin, erhoben sich und warteten ab. In der Halle war es so still, dass Asher eine gefangene Fliege hören konnte, die immer wieder gegen ein Fenster in der Nähe flog, und Stimmen draußen auf der Straße.
Sein Urteil, sagte der Prinz mit strenger Miene, sei zugunsten von Frau Raite aus Hohltal ausgefallen. Sie könne die Stadt als unbescholtene Bürgerin verlassen; alle zuvor gegen sie verhängten Strafen seien hiermit nichtig. Das Vermächtnis von zweihundert Trin werde ihr hiermit zugesprochen und sei ihr auszuzahlen. Was Meister Brenin betraf, so habe er in Dorana zu verbleiben und werde im Wachhaus in Gewahrsam gehalten. Unterdessen würde man weitere Ermittlungen in Angelegenheiten anstellen, die sich bei dieser Anhörung ergeben hätten. Er könne damit rechnen, dass zu gegebener Zeit Anklage gegen ihn erhoben würde. Es sei bereits ein Bote auf dem Weg nach Tolton in der Marsch, der seinen Freund, den Bezirksrichter, in die Stadt holen solle; wenn morgen die Sonne unterging, würden sie eine Zelle teilen.
Die goldene Glocke ertönte dreimal. Und damit war die Anhörung beendet. Der Prinz zog sich auf seine private Galerie zurück. Sobald er fort war, begannen alle in der Halle, die
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