König 02 - Königsmacher
richteten den Blick auf das Ende der privaten Galerie. Einen Augenblick später löste sich ein Teil des Bodens der Galerie und sank mit träger Majestät herab. Asher klappte der Unterkiefer herunter. Weder Seile noch mechanische Gerätschaften führten die Plattform: Sie wurde durch Magie bewegt. Natürlich.
Zoll um Zoll wurde die Gestalt des ernst dreinblickenden Prinzen enthüllt. Er war vom Hals bis zu den Knien in eine Robe aus goldenem und rotem Brokat gewandet. Sein silbernes Diadem war durch eine schwere, schlichte Goldkrone ersetzt worden. Seine Miene war ernst. Nachdenklich. Er wirkte… älter. Die Plattform blieb nur um Haaresbreite über dem Boden stehen. Der Prinz trat herunter und nahm seinen Platz auf dem Podest ein. Dann hob er den Hammer und schlug dreimal gegen die Glocke. Die Luft in der Halle vibrierte. Schimmerte. Asher spürte, wie etwas Kühles, Unsichtbares über seine Haut tanzte.
»Wir kommen heute kraft der Autorität Seiner Majestät und in seinem Namen zusammen, um Gerechtigkeit zu üben.« Die Stimme des Prinzen drang mühelos in jede Ecke und an jedes lauschende Ohr. »Barl schenke uns Würde und Weisheit und Ehre im Streben nach Gerechtigkeit.« Er neigte den Kopf und küsste seinen Heilsring.
»Wie Ihr es verlangt«, murmelte die Menge, »möge Barl es fügen.« Überall in der Halle drückten die Menschen den Zeigefinger, ob er nun beringt war oder nicht, an die Lippen.
Der Prinz legte den Hammer zurück und ließ die Hände auf die Armlehnen seines Stuhls sinken. »Nehmt Platz. Und lasst uns von der unangenehmen Angelegenheit hören, die uns heute hergeführt hat.«
Ein Seufzen ging durch die Reihen der Zuschauer, die Beine des Stuhls, auf dem der Bittsteller saß, kratzten über die Fliesen, und schließlich hatten sich alle gesetzt.
Gegen seinen Willen fasziniert, wartete Asher gespannt darauf, was geschehen würde.
»Wer erbittet mein Urteil in dieser Angelegenheit?«, fragte der Prinz. Eine junge Frau, die an dem Tisch auf der rechten Seite saß, stand auf. Sie war klein und dick, und ihr Kleid war von einem wenig schmeichelhaften Senfgelb. »Ich, Eure Hoheit.«
Der Prinz nickte. Lady Marnagh, die an dem kleinen Schreibpult saß, schloss die Augen und strich zweimal mit der linken Hand über den Stapel Papier vor ihr. Orangefarbene Funken flammten auf und verblassten. Sie legte die Hand wieder auf den Schoß und sah den Prinzen an.
»Nenn deinen Namen und deinen Wohnort für die Akten«, sagte er. »Frau Raite aus Hohltal, Eure Hoheit.«
Asher drückte das Gesicht gegen den Wandschirm der Galerie. Er konnte gerade noch das orangefarbene Feuer sehen, das über den obersten Bogen Papier tanzte. Einen Moment lang leuchtete eine einzelne Zeile von Worten auf, dann waren die Buchstaben erloschen.
Aha. Wer brauchte schon Schreibfeder und Tinte, wenn ein Fingerschnipsen genügte und man die Aufgabe mit Magie erledigen konnte?
»Danke. Nimm Platz«, sagte der Prinz. »Wer ficht deine Behauptung an?« An dem anderen Tisch sprang ein Olk in mittleren Jahren auf die Füße. »Ich, Eure Hoheit!
Ich
fechte die lächerliche, undankbare Beschwerde meiner Cousine an!«
Er war groß und dünn wie ein Besenstiel und trug einen am Hals und an den Handgelenken mit üppigen Spitzen besetzten Satinanzug von widerlich erbsengrüner Farbe. Asher verzog das Gesicht; es sah so aus, als läge Farbenblindheit in der Familie.
Der Prinz runzelte die Stirn. »Ich habe dich um deinen Namen und deinen Wohnort gebeten, nicht um dein Urteil.« Selbst hinter einem Wandschirm verborgen und weit über dem Boden konnte Asher sehen, dass das Gesicht des Mannes tomatenrot anlief. Er grinste. Der Sohn des Königs war also durchaus fähig, scharfe Worte zu finden, wie? Das war interessant. Er hatte gedacht, dass all die Seide und der Samt die Sehnen des Prinzen vielleicht verweichlicht hatten.
Nützlich zu wissen, dass das nicht der Fall war.
Und was für ein erbärmlicher Narr war der erbsengrüne Mann, den Prinzen schon in den ersten Minuten gegen sich aufzubringen?
»Meister Bernin, Eure Hoheit«, sagte der Cousin. Sein Tonfall kam einem Schmollen gefährlich nah. »Aus Tolton in der Marsch.«
Als der Mann wieder Platz nahm und mit einem seiner Spießgesellen am Tisch tuschelte, richtete der Prinz seine Aufmerksamkeit wieder auf die junge Olkin. »Frau Raite, bring bitte für die Akten deine Klage vor.«
Die Frau stand wieder auf, mit geröteten Wangen, aber fest entschlossen. Der Mann, der neben
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