König 02 - Königsmacher
du dir, du wärest mein Erbe?«
Gar starrte auf das Tischtuch. Wünschte er es sich? Neidete er Fane das Geburtsrecht, das das seine hätte sein sollen? Begehrte er die Macht, die um ihre Fingerspitzen tanzte und die ihre Augen wie Laternen leuchten ließ? Wollte er eines Tages der Wettermacher des Königreichs sein, obwohl er besser als fast jeder andere, der atmete, wusste, was das bedeutete? Die Opfer und die Wildheit?
O ja.
Tausendmal ja. Er wollte es so sehr, dass das Verlangen wie Säure an ihm nagte, in ihm gärte und in der leeren Abgeschiedenheit der Nacht ungebetene Tränen aus seinen Augen quellen ließ.
Er blickte auf, lächelte seinen Vater an und sah in dem müden Gesicht einen Mahlstrom von Furcht und Hoffnung. Er schüttelte den Kopf. »Nein, das tue ich nicht. Ich bin zufrieden mit dem Leben, das Barl mir geschenkt hat.«
Und weil Gar sich sein Leben lang in der Kunst der Verstellung geübt hatte, oder weil sein Vater ihm so verzweifelt glauben wollte, glaubte der König ihm tatsächlich.
Bornes weiß gewordene Knöchel lockerten sich eine Spur, und ein wenig von der Anspannung fiel von ihm ab. »Ich bin froh, dass es so ist«, sagte er und setzte sich wieder hin. Ein leiser Seufzer entrang sich seinen bleichen Lippen. »Und nicht weil ich den König fürchte, den du abgegeben hättest, Gar. In Wahrheit denke ich, dass du ein König ohnegleichen gewesen wärest und das aus Gründen, die nichts mit Magie zu tun haben. Wegen genau der Dinge, die Fane noch lernen muss, wenn sie die Königin sein soll, die dieses Reich verdient und braucht.«
Noch etwas, das noch nie zuvor ausgesprochen worden war. Es vergingen lange Augenblicke, bevor Gar seiner Stimme wieder trauen konnte. »Danke, Vater. Eure Meinung bedeutet mir mehr als die aller anderen.«
»Du musst ihr helfen zu verstehen«, erwiderte sein Vater. »Durm lehrt sie alles, was es über Magie und den Einsatz von Macht zu wissen gibt. Deine Mutter kann ihr Rat geben, was das Protokoll betrifft und die weiblichen Künste. Ich kann ihr von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang die Schwierigkeiten und verborgenen Fallen des Regierens erklären… Aber nur du kannst ihr helfen, die reichste Ernte unseres ganzen Königreichs zu verstehen. Die Olken, Lurs ursprüngliche Kinder. Du besitzt im Überfluss das eine, das Fane fehlt. Die Verbindung mit dem Volk. Die Olken lieben dich.«
»Und Euch!«, warf Gar hastig ein.
Borne lächelte und schüttelte den Kopf. »In gewisser Weise vielleicht. Obwohl ich denke, dass es mehr Ehrerbietung als Liebe ist. Ihre Gefühle gelten mehr den Dingen, die ich für sie tue, als mir selbst. Aber du? Für dich empfinden sie aufrichtige, von Herzen kommende Zuneigung, und dafür danke ich Barl. Ich wünschte, sie brächten Fane auch nur halb so viel Respekt entgegen.« »Gebt ihr Zeit«, sagte Gar. »Ihr Leben wird vollkommen von ihren Studien beherrscht. Sie muss sie erst noch so gut kennenlernen, wie ich sie während der letzten Monate kennengelernt habe.«
»Mag sein«, pflichtete Borne ihm bei. »Ich hoffe, es ist nur das und nicht mehr. Sie wird schon bald Königin werden, und dann wird es zu spät sein…« Gar schnürte es das Herz zusammen. »Wieder erweckt Ihr den Geist eines ablaufenden Stundenglases, Vater.« Seine Stimme klang schroff, beinahe anklagend. »Was enthaltet Ihr mir vor? Ich wünschte, Ihr würdet Euch mir anvertrauen. Ich bin kein Kind mehr. Fühlt Ihr Euch krank?«
Borne hob erschrocken den Kopf, um ihn anzusehen, dann lächelte er. »Krank? Hm, nein. Nicht mehr als gewöhnlich. Habe ich dir Angst gemacht? Das tut mir leid, das wollte ich nicht.«
»Ihr seht müde aus«, sagte Gar leise.
»Ich bin auch müde, ein wenig«, gestand Borne. »Es ist Sommer und fast Zeit für die Ernte. Die Magie ist jetzt sehr stark und schwer zu bezähmen. Weniger eine Frage von Raffinesse, mehr von roher Kraft. Ich habe heute vom Wettermachen Kopfschmerzen bekommen, das ist alles. Es ist nicht der Rede wert. Es gibt keinen Grund, dir meinetwegen Sorgen zu machen.« Aber Gar, der ihn einer genauen Musterung unterzog, glaubte, dass es sehr wohl einen Grund gab. Der König wirkte erschöpft. Ausgelaugt. »Ich wünschte, ich könnte Euch helfen«, sagte er mit gepresster Stimme.
»Du hilfst mir jeden Tag«, erwiderte sein Vater energisch. »Du tust genauso viel wie jedes Mitglied beider Räte. Mehr. Manchmal denke ich, du tust zu viel. Wann bist du das letzte Mal mit Freunden ausgeritten, hm? Hast dich bei einem
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