Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
Kreuzung vor dem Fenster, vom Brummen eines Lastwagens an der Lieferanteneinfahrt …
Ein Hotel ist für mich ein Ort, wo ich schlafen will, aber nicht schlafen kann.
Meinetwegen braucht ein Hotel keinen Brunnen aus Bronze in der Empfangshalle, keine Gemälde eines Meisters an den Wänden – aber was es unbedingt braucht, sind schallisolierte Zimmer. Ich buche ein Zimmer, um dort zu schlafen. Wenn Lärm mich davon abhält, will ich mein Geld zurück. Aber da fängt das nächste Drama an: Wie soll ich nachweisen, dass mein Zimmer schlecht isoliert ist? Ein schmutziges Bad kann ich fotografieren – aber wie belege ich, dass Geräusche durch Tür oder Wände schlüpfen?
Lärm ist unsichtbar. Jeder nimmt ihn anders wahr. Und nach einer wachen Nacht ist mein Selbstverstrauen so müde, dass ich mir oft denke: Vielleicht liegt es ja gar nicht an der Schallisolierung, sondern an meiner hohen Empfindlichkeit? Vielleicht sinken Hunderte von Gästen zur selben Zeit in einen engelsgleichen Schlaf, während ich Sensibelchen mit dröhnenden Ohren alle fünf Minuten hochschrecke?
Eine Umfrage des Hotelportals HRS lehrt mich das Gegenteil: 98 Prozent der Hotelgäste suchen in den Hotels »erholsamen Schlaf«. Offenbar vergeblich, denn über die Hälfte der Hotelgäste ist mit ihren Übernachtungsstätten nicht zufrieden. 30
Welche Schlafkiller schleichen durch die Hotels? Da ist der Lärm, der seine Salven auf die Ohren abfeuert. Da sind die Stand-by-Lämpchen, die sich auf die Augen einschießen (und sich nur durch Steckerziehen abschalten lassen). Und da sind – besonders tödlich – die sogenannten Matratzen, die dem Rücken den Rest geben.
»Matratze« ist schon zu viel gesagt: Etliche Hotelbetten sind mit einem Folterinstrument belegt, einem Wirbelsäulen-Verkrümmer, gegen den eine Hängematte eine stabile Unterlage ist. Diese Billigmatratzen sind für Hotelbesitzer ein gutes Geschäft: Erst sparen sie beim Einkauf. Und dann kassieren sie, wenn mich der Rückenschmerz pro Nacht dreimal an die Mini-Bar treibt oder spätestens am nächsten Morgen in den Wellnessbereich, wo ich mir die krumme Wirbelsäule von einem Masseur wieder zurechtbiegen lasse.
Ein Zimmer mit Fleckenfieber
Eines der größten Rätsel unserer Zeit: Wie ist es möglich, dass Hotelzimmer täglich gereinigt werden – und dennoch so schmutzig sind? Fast in jedem Hotel-Badezimmer grüßt mich mein Vorgänger. Vom Kopf- bis zum Schamhaar, von Wattestäbchen bis zur Kontaktlinse, von Zahnpastaresten bis zu Haarschuppen, vom Fußabdruck vor der Wanne bis zur Höhlenmalerei am Badezimmerspiegel ist mir schon alles begegnet.
Ein solches Bad ist das Paradies für jeden DNA-Ermittler – und der Horror für jeden Hygienefreak. Leider ist die Zahl der sauberen Bäder, auf die ich als Hotelgast treffe, in den letzten Jahren geschrumpft. Man muss es sagen: Ein Großteil der Hotels betreibt ein schmutziges Geschäft.
Diesen Eindruck bestätigt eine Umfrage des Fraunhofer-Instituts. 98 Prozent der Hotelgäste halten ein sauberes Zimmer für besonders wichtig. Aber nur 1,6 Prozent geben an, sie seien mit der Sauberkeit der Bäder sehr zufrieden. 31 Das bedeutet: Von 100 Hotelgästen finden 98 bis 99 die Bäder nicht sauber genug – eine vernichtende Quote!
Wie kann es sein, dass dieser wichtige Wunsch der Gäste ignoriert wird? Die Antwort erfahren wir nicht am pompösen Haupteingang des Hotels, sondern am Hintereingang – im Gespräch mit den Reinigungskräften. Während wir Gäste in einer auf Luxus getrimmten Scheinwelt residieren, während das Geld nur so von unserer Scheckkarte rattert, schuften die Reinigungskräfte im Hamsterrad der Akkordarbeit – und das zu einem Lohn, der jeder Beschreibung spottet.
Ein Skandal ließ die Fassaden der feinen Hotels im Jahr 2007 bröckeln: Ausgerechnet in einem Spitzenhotel, dem Hamburger Dorint, wurde eine Putzfrau mit einem Stundenlohn von 2,46 Euro abgespeist – kein Einzelfall. 32
Was diese schmutzige Gehaltspolitik mit dem Schmutz in den Zimmern zu tun hat? Die meisten »Stundenlöhne« werden nicht pro Stunde bezahlt, sondern nach der Zahl der gereinigten Zimmer. Die Reinigungskräfte, meist über Fremdfirmen beschäftigt, putzen im Akkord.
Mit diesem Trick unterlaufen die Hoteliers und ihre Partnerfirmen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, das einen Mindestlohn von gut acht Euro vorschreibt. Dann sieht der Akkord zum Beispiel in einer Stunde eine Zahl von Zimmern vor, die eigentlich nur in drei Stunden zu
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